VfB Lübeck: Nach dem Himmelfahrtskommando kommt die Pflicht – Drossel am Bart und Mitglieder vor der Brust

Abends spricht die Mannschaft unter Flutlicht und am Morgen haben die Mitglieder das Wort

Dr. Dieter Gudel (Vorstandsvorsitzender VfB Lübeck). Foto: Lobeca

Lübeck – Unter Flutlicht am heutigen Freitagabend (17.10.) um 19.30 Uhr kämpft der VfB Lübeck etwas Zählbares in der Regionalliga Nord im Auswärtsspiel der SV Drochtersen/Assel. Ein Geheimnis, dass die Grün-Weißen bei den Niedersachsen aus dem letzten Loch pfeifen, ist es nicht. Defacto die halbe Mannschaft fehlt – entweder gesperrt oder verletzt. Ein Himmelfahrtskommando könnte es bei “Drossel“ werden – doch totgesagte leben vielleicht auch dieses Mal länger. Nach 90 Minuten wird sich gezeigt haben, wie das Team von Guerino Capretti sich geschlagen hat.

Einmal schlafen und dann geht es rund 24 Stunden nach Abpfiff der Begegnung schon wieder weiter, doch dieses Mal stehen andere Protagonisten im Rampenlicht. Die Jahreshauptversammlung des Tabellenneunten steht an. Um 10 Uhr ist im “JUNIPER“ im Herrenholz Einlass, eine Stunde ertönt der Anpfiff für die Mitglieder. Neben den formellen Dingen sind zwei Themen ganz wichtig für den Club. HL-SPORTS sprach mit Vorstandsvorsitzenden Dr. Dieter Gudel davor in einem Interview darüber – und über andere Themen:

„Positiv pushen“

HL-SPORTS: Wie sehr freust du dich auf die Mitgliederversammlung und wie liefen die Vorbereitungen?

Dieter Gudel: „Die Vorbereitungen sind abgeschlossen, die Tagesordnung und die Organisation stehen. Es ist somit angerichtet für Samstag. Nein, mal im Ernst: gemeinsam mit meinen Vorstandskollegen Sebastian Harms und Tobias Redlich sowie mit dem Team der Geschäftsstelle ist alles auf den Weg gebracht, um am Samstag eine hochwertige und dem VfB würdige Mitgliederversammlung durchzuführen. Die Versammlung ist immer ein wichtiger Moment, um miteinander Bilanz zu ziehen, gemeinsam in die Zukunft zu blicken und Entscheidungen zu treffen, die unseren Verein langfristig prägen.“

HL-SPORTS: Wie steht der Verein finanziell aktuell da – nach einem sehr bewegten Jahr mit Rettung und Umbruch?

Dieter Gudel: „Die gesamte letzte Spielzeit und auch der Wechsel in diese Saison waren und sind für den VfB Lübeck zweifellos herausfordernd. Wir mussten zum Sommer harte Einschnitte in vielen Bereichen machen. Wir haben auch die Ausgaben für unsere 1. Herrenmannschaft nochmals reduzieren müssen, um den Fußball zu spielen, den wir uns leisten können. Das war und ist für alle herausfordernd. Durch das tolle Engagement vieler Beteiligter konnten wir uns in einem ersten Schritt erstmal stabilisieren – auf dem aktuellen Niveau. Hierbei ist es überragend, wie alle Partner, Sponsoren, Unterstützer, Mitglieder, Fans den aktuellen Kurs mitgehen, uns unterstützen und uns positiv pushen. Um es aber ebenso klar zu sagen: wir müssen weitere Einnahmen erzielen, weitere Sponsoren für uns gewinnen und allen Akteuren und Unternehmen in Lübeck und Umland die wunderbaren wirtschaftlichen Chancen von Profifußball aufzeigen.“

Ausgliederung alternativlos…

HL-SPORTS: Warum ist die Ausgliederung des Lizenzspielerbetriebs jetzt notwendig?

Dieter Gudel: „Die aktuellen Diskussionen hinsichtlich unserer Gemeinnützigkeit und deren Gefährdung lassen uns kaum Spielraum, diesen Schritt weiter in die Zukunft aufzuschieben. Um es klar zu sagen: Ein Entzug gefährdet sämtlichen Sportbetrieb aller in Sportverbänden organisierten Mannschaften unseres VfB, denn die Gemeinnützigkeit ist – sehr kurz zusammengefasst – Bedingung zum Mitspielen. Und das gilt auch für unsere 1. Herrenmannschaft. Somit sehen wir das als unsere Pflicht gegenüber dem gesamten VfB an, das Thema anzupacken. Vorstand und Aufsichtsrat gehen hier einstimmig und geschlossen voran, und wir wollen unsere Mitgliedschaft mitnehmen. Ebenso wichtig wäre aber auch zu betonen, dass als Lerneffekt aus der letzten Finanzkrise 2024 wir den VfB so aufstellen müssen, dass eine zukünftige weitere Krise im Profifußball nicht nochmal den gesamten VfB in seine Existenz gefährdet. Auch hier sind wir in der Pflicht.“

HL-SPORTS: Was passiert, wenn die Mitglieder sich gegen die Ausgliederung entscheiden sollten?

Dieter Gudel: „So weit sind wir an dieser Stelle ja noch gar nicht. Es geht uns erstmal darum, diesen Samstag gemeinsam mit unseren Mitgliedern den Kurs der kommenden Monate abzustimmen und die Vorbereitung einer Ausgliederung vorzunehmen – und diese dann in der ersten Jahreshälfte 2026 zur Abstimmung zu bringen. Sollte uns die Mitgliedschaft diesen Samstag die Zustimmung zur Vorbereitung verweigern, dann sehen wir unsere Gemeinnützigkeit aktuell als sehr stark gefährdet an. Ebenfalls wäre unser VfB bei einer weiteren Wirtschaftskrise im Profifußball wieder komplett im Risiko – das hat die Finanzkommission im Juli auf der Informationsveranstaltung klar und deutlich herausgestellt. Ich gehe daher davon aus, dass unsere Mitglieder diesen Samstag ihre Unterstützung ausdrücken werden.“

HL-SPORTS: Und wenn die Mitglieder zustimmen – wie geht es dann weiter?

Dieter Gudel: „Bei einer Zustimmung zur Vorbereitung werden wir gemeinsam ein detailliertes Konzept für die Ausgliederung des Profifußballs ausarbeiten. Dieses Konzept soll im ersten Halbjahr 2026 auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung vorgestellt und zur Abstimmung gebracht werden. Somit werden vor einer derartigen Mitgliederversammlung noch Informationsveranstaltungen notwendig sein, um unsere Mitglieder auf diesem Kurs mitzunehmen. Erst auf der dann stattfindenden außerordentlichen Mitgliederversammlung wird über die tatsächliche Umsetzung entschieden. Wir sind derzeit noch in einer frühen Planungsphase, in der es um Grundlagenarbeit geht – nicht um konkrete gesellschaftsrechtliche Strukturen.“

HL-SPORTS: Gibt es Parallelen zum HSV oder anderen Clubs mit ähnlichen Modellen?

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Dieter Gudel: „Jeder Verein hat seine eigene Geschichte, seine eigene historisch gewachsene Struktur und Identität. Auch wenn sich bestimmte Modelle ähneln, geht es bei uns nicht darum, individuelle Lösungen anderer Vereine zu kopieren, sondern eine Struktur zu erarbeiten, die zu uns passt und unseren eigenen Bedürfnissen entspricht. Nach dem Votum der Mitgliedschaft am Samstag werden wir hieran detailliert arbeiten, denn wir haben keine vorgefertigte Lösung in der Tasche, auf welche Weise wir den VfB als Verein und als Kapitalgesellschaft strukturieren, um den Profifußball und den Breitensport gleichermaßen auf solide Füße zu stellen, ohne die Identität des VfB aufzugeben.“

Ein Kandidat für den Aufsichtsrat

HL-SPORTS: Warum wird ein weiterer Aufsichtsrat gewählt und wer kandidiert?

Dieter Gudel: „Unsere Satzung spricht von fünf gewählten Aufsichtsräten, aktuell sind es vier sowie die beiden Vertreter aus dem Breitensport und aus dem Fankreis. Die gewählten Aufsichtsräte repräsentieren den Willen unserer Mitgliedschaft im höchsten Kontrollzentrum des VfB, somit ist es nur selbstverständlich, die noch offene Position für die restlichen zwei Jahre Laufzeit zu besetzen. Damit ist im höchsten Gremium die Repräsentation der Mitgliedschaft wieder vollständig hergestellt. Zur Wahl steht unser Mitglied Detlef Meyer-Stender, der vielen Mitgliedern und auch mir bereits aus seiner Arbeit in der Finanzkommission bekannt ist. Ein totaler VfBer, Jurist und mit der Erfahrung von über 20 Jahren in der Finanzkontrolle. Wir freuen uns, dass er bereit ist, sich vor dem Hintergrund seiner Arbeit in der Finanzkommission für unseren VfB ehrenamtlich einzubringen.“

„Kein Anlass zur Euphorie“

HL-SPORTS: Wie zufrieden seid ihr sportlich – Platz 9 in der Regionalliga und Halbfinale im SHFV-Pokal?

Dieter Gudel: „Ein Drittel der Saison ist gespielt. Nach dem Umbruch im Sommer und vor dem Hintergrund der verfügbaren Mittel haben Sebastian Harms und Guerino Capretti einen hervorragenden Job gemacht, wenn man den aktuellen Stand sieht. Wir haben viele junge und hungrige Spieler im Kader, bei uns spielen auch Lübecker Jungs wieder eine Rolle. Das ist einerseits gut und wird von unseren Fans und Zuschauern auch sehr positiv angenommen. Wir sind andererseits aber sehr wachsam und keinesfalls euphorisch, denn wir haben in vielen Spielen auch sehen müssen, dass unserem Team in Schlüsselmomenten Stabilität und Erfahrung fehlt. Ich persönlich finde es wie jeder andere Fan und Zuschauer auch schade, dass wir gegen HSC Hannover und gegen Altona 93 ausgerechnet zu Hause verloren haben. Das zeigt aber sehr deutlich, dass wir noch viel zu tun haben und dass wir noch einige Gratwanderungen diese Saison zu bestreiten haben. Die Momentaufnahme ist somit keine Selbstverständlichkeit und kein Anlass zur Euphorie, sondern Ausdruck harter Arbeit aller Akteure auf und neben dem Platz. Der Einzug ins Pokal-Halbfinale fügt sich in diese Betrachtung ein – denn die beiden Gegner waren keine Laufkundschaft. Und mit dem ungeschlagenen Tabellenführer der Oberliga Schleswig-Holstein Todesfelde wartet im Halbfinale schon der nächste Brocken auf uns. Wir freuen uns drauf, denn wir wollen ins Endspiel.“

HL-SPORTS: Wo siehst du den VfB Lübeck in einem Jahr – als Verein oder vielleicht schon als Kapitalgesellschaft?

Dieter Gudel: „Sowohl als auch, denn beide können untrennbare Seiten unseres VfB sein und sich gegenseitig befördern. Unser Ziel ist, den VfB sowohl sportlich als auch wirtschaftlich in allen Bereichen nachhaltig weiterzuentwickeln, nicht nur in der 1. Herrenmannschaft. In einem Jahr möchten wir einen weiteren Schritt in Richtung Zukunft gemacht haben und zeitgemäße wirtschaftliche Strukturen im VfB haben – auf Basis einer weiterhin lebendigen Vereinsgemeinschaft.“

HL-SPORTS: Danke für das Interview und viel Erfolg für die Zukunft.

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