Lübeck – Das Landespokal-Finale zwischen dem VfB Lübeck und Holstein Kiel am Mittwochabend (HL-SPORTS berichtete) lief nicht so reibungslos ab, wie man es sich wünschte. Ein Polizeieinsatz, der eine Blockräumung mit sich brachte, Nebel und Pyro in beiden Fan-Lagern, ein aufgebrachter SHFV-Präsident Hans-Ludwig Meyer und neun Verletzte gehörten zum 1:0-Sieg der Grün-Weißen leider dazu. Das war die Randgeschichte zum Landesderby. HL-SPORTS arbeitet alles noch einmal genau auf und lässt die Beteiligten zu Wort kommen.

Hier zuerst ein Überblick über die Ereignisse und Stimmen von Mittwoch:

Um 19.30 Uhr sollte die Partie angepfiffen werden, doch das verzögerte sich um fast eine Dreiviertelstunde. 20 Minuten vor Spielbeginn wurden alle Tore, die zum Einlass ins Stadion führten, vorläufig geschlossen. Niemand kam rein oder raus. Warum diese Maßnahme getroffen wurde, ist nicht bekannt.

Ein paar Minuten vor dem Anpfiff wurden die Lübecker Ultras, die sich im G6-Block befanden, aufgefordert, diesen Bereich zu verlassen, um sich einer Durchsuchungsmaßnahme der Polizei zu unterziehen. Da waren die Fans bereits rund eine halbe Stunde im Stadion und verhielten sich trotz ihrer Grün-Weißen Sturmhauben, die einige von ihnen zeitweise trugen, ruhig. Nach Aussage des VfB-Fanbetreuers gab es eine Absprache zwischen Verband, Verein und Polizei, dass die Fanbetreuer in Gesprächen mit den Lübecker Anhängern für eine friedliche Umsetzung dieser Maßnahme sorgen wollten. Da spielte die Polizei nicht mit und betrat den G6-Block mit etwa 50 behelmten Beamten. Eine Hundestaffel positionierte sich auf dem Rasen vor dem Block. Die Situation hätte jederzeit eskalieren können, doch blieb es bis auf grünen und schwarzen Rauch aus Nebeltöpfen, die gezündet wurde, ruhig.

Nach etwa 30 Minuten verließen die Lübecker den Block und mischten sich unter die „normalen“ Fans im Block unter den Pappeln. Wie Dr. Tim Cassel (zuständig beim Verband für die Sicherheit an diesem Abend) auf der anschließenden Pressekonferenz sagte: „Es ist in vernünftigen Gesprächen zwischen Polizei, Sicherheitskräften, Verein und Verband gelungen, die Situation zu deeskalieren. Ich betone, dass hier alle, auch die Fans, vernünftig und bedacht gehandelt haben.“

Auf die Frage eines Kieler Journalisten, ob der SHFV in Erwägung zieht, den Endspielort bei Spielen zwischen dem VfB und Holstein wieder zu wechseln, wollte sich Cassel nicht äußern. „Wir werden alles in Ruhe analysieren, so wie wir das immer tun.“ VfB-Vorstandssprecher Thomas Schikorra sagte im Nachhinein auf diese Aussage gegenüber HL-SPORTS: „Wir haben in Lübeck sicher nicht mehr Probleme als anderswo.“ Und damit liegt er richtig, denn nachdem die Mannschaften endlich auf dem Feld waren und loslegen wollten, vernebelten die Kieler Fans auf der anderen Seite das Stadion mit Zünden von roten und weißen Nebeltöpfen. Im Verlaufe der zweiten Hälfte gingen noch einmal Nebelschwaden aus der Lübecker Fankurve hoch. In beiden letztgenannten Fällen griff die Polizei nicht ein.

SHFV-Präsident Hans-Ludwig Meyer war aufgebracht: „Für mich ist das hier ein deutlicher Schlag gegen unseren Sport. Wir werden das ganz genau aufarbeiten. Nur mit der Wirtschaft können wir solche Events veranstalten, und ob so ein Fan-Verhalten dabei unbedingt förderlich ist, auch um so einen Verein wie den VfB Lübeck zu unterstützen, ist die Frage. Wobei mir diese nicht unbedingt zusteht.“ Harte Worte Meyers gegen den VfB, der stets bedacht ist, für Ruhe in den eigenen Reihen zu sorgen.

Die Gäste-Fans aus Kiel bekleckerten sich ebenfalls nicht mit Ruhm. Rund 60 Holstein-Ultras schafften es ins Stadion. Ein Shuttle-Bus des Stadtverkehrs, der sie vom Hauptbahnhof zum Stadion bringen sollte, wurde beschädigt (siehe unten). Eine Nachfrage von HL-SPORTS bei der Bundespolizei ergab Folgendes: Die 60 Kieler Ultras verhielten sich auf der Hin- und Rückfahrt fußballorientiert. Es gab keine nennenswerten Vorkommnisse, die eine polizeiliche Maßnahme erforderte.

Neun Beamte wurden bei dem Einsatz verletzt. Nach dem Spiel blieb es ruhig. Die Lübecker feierten den Erfolg und die Kieler zogen von dannen.

HL-SPORTS fragte am Donnerstag bei Ulli Fritz Gerlach (Pressesprecher der Polizeidirektion Lübeck) nach. Hier das kleine Interview:

HL-SPORTS: Wie konnte es passieren, dass Zuschauer ohne Einlasskontrollen ins Stadion gelangten?

Gerlach: Der Ordnungsdienst ist grundsätzlich für das Öffnen beziehungsweise Schließen der Tore im Stadion zuständig. Vor den Einlassstellen kam es gestern vor dem Spiel aufgrund der geschlossenen Tore zu einer größeren Menschenansammlung. In den Bereichen D, E und F war dann der Druck auf die Tore dermaßen groß geworden und zudem hatte sich die Stimmung derart aufgeheizt, so dass mit Verletzungen zu rechnen war. Zwecks Gefahrenabwehr hat der Polizeiführer die Öffnung der Tore veranlasst.

HL-SPORTS: Warum kam es kurz vor dem Spiel zu einer polizeilichen Maßnahme im Block der VfB-Ultras? Wurden dort Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt und wenn ja, wurde das gefunden, was gesucht wurde?
 
Gerlach: Diverse Pyrotechnik wurde durch die Fans unerlaubt in den Block gebracht. Als die Ordner das unterbinden wollten, sind diese massiv angegangen worden. Aufgrund des  Abbrennens von Rauchtöpfen bestand eine erhebliche Gefahr für Zuschauer auf der Haupttribüne, wo auch Familien mit Kindern saßen. Um weitere Gefahrensituationen auszuschließen, fand deswegen eine Absuche des Blocks G6 statt. Dabei wurden unter anderen zwölf sogenannte Nebeltöpfe gefunden.
 
HL-SPORTS: Warum wurden die VfB-Ultras aufgefordert, diesen Block zu verlassen?

Gerlach:  Es war keine Aufforderung durch die Polizei. Es hat dahingehende Absprachen mit Fanbeauftragten gegeben. Danach war es die Entscheidung der Fans, in andere Blöcke zu wechseln.
 
HL-SPORTS: Sehen sie die Maßnahme, dass die VfB-Ultras danach zwischen den „normalen“ Fans standen, als weniger gefährlich an und wenn ja, wie kam es dann dazu, dass dort eher Unbeteiligte einer möglichen Gefahr ausgesetzt wurden?

Gerlach:  Zu diesem Zeitpunkt zeigten diese Fans kein Gewaltpotenzial mehr, zudem zeigten sie sich gesprächsbereit, so dass konkrete Gefahren für weitere „normale“ Fans nicht zu erwarten waren.
 
HL-SPORTS: Warum wurden nicht die gleichen Maßnahmen im Kieler Fanblock durchgeführt? Dort wurde direkt vor dem Anpfiff nicht unerheblich Pyro-Technik gezündet – steht das im gleichen Verhältnis mit der Maßnahme gegen die VfB-Ultras?

Gerlach: Teile der Kieler Fans wurden während der Anreise bereits kontrolliert (beinahe 100 Personalien festgestellt und Durchsuchung durchgeführt). Die Durchsuchung der Fans im Hinblick auf Pyrotechnik findet grundsätzlich durch den Ordnungsdienst statt.
 
HL-SPORTS: Ist es richtig, dass mehrere Shuttle-Busse von Kieler Fans auf dem Weg zum Stadion beschädigt wurden? Wenn ja, wie viele Busse wurden in welchem Umfang beschädigt?

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Gerlach: Kurz nach der Abfahrt vom Bahnhof zum Stadion wurde in einem Shuttle-Bus der Kieler Fans eine Fensterscheibe beschädigt.  
 
HL-SPORTS: Was ist mit den Kieler Fans passiert, die in dem Bus randalierten? Durften diese ins Stadion oder mussten sie den sofortigen Heimweg antreten?

Gerlach: Nach Beschädigung des einen Busses wurden die Kieler Fans kontrolliert und durchsucht. Danach wurde angekündigt, dass sie die Heimreise nach Kiel antreten müssen, wenn sie weiteres Gewaltpotenzial zeigen. Zwei Kieler Fans zeigten keine Einsicht, alle anderen wurden friedlich zum Stadion verbracht.

HL-SPORTS: Gab es Fest- oder in Gewahrsam nahmen? Wenn ja, welche Lager waren in welcher Anzahl betroffen?

Gerlach: Eine Person wurde in Gewahrsam genommen, ein Platzverweis wurde ausgesprochen. 95 Mal wurde die Identität von Personen festgestellt. Fünf Strafanzeigen wurden gefertigt, unter anderem wegen Sachbeschädigung, Widerstand und Diebstahl.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir aufgrund der laufenden Verfahren keine weiteren Angaben machen.
 
HL-SPORTS: Gab es Verletzte vor, während oder nach dem Spiel?
Gerlach: Es wurden neun Polizeibeamte während des Spiels verletzt.
 
HL-SPORTS: Wie verlief der Ablauf nach dem Schlusspfiff?

Gerlach: Es gab keine weiteren Ausschreitungen.
 
HL-SPORTS: Wie zufrieden ist die Polizei im Allgemeinen mit dem Einsatz?

Gerlach: Die Polizei hat die wesentlichen Einsatzziele erfolgreich erreicht. Die rivalisierenden Fangruppen wurden konsequent getrennt – Auseinandersetzungen der Fan-Lager konnten dadurch verhindert werden. Verletzte Kollegen stellen die Polizei nicht zufrieden. Es ist auch schade, dass die Notwendigkeit des polizeilichen Einschreitens durch das Verhalten einiger Fans (hier: Einsatz von Pyrotechnik/Rauchkörper) erforderlich war. Gleichwohl hat sich die Mehrheit der Fußballfans friedlich verhalten.

HL-SPORTS: Wird das Spiel ATSV Stockelsdorf – Holstein Kiel am Samstag, wie geplant stattfinden und wenn nein, warum nicht – wenn ja, gibt es eine andere Planung bei der Anreise der Kieler Fans?

Gerlach: Die Polizei wird  das Fußballspiel unter sicherheitsrelevanten Aspekten begleiten. Aus Sicht der Polizei liegen derzeit keine Erkenntnisse vor, dass das Spiel nicht stattfindet.

Der VfB Lübeck gab zur gleichen Zeit eine Stellungnahme ab. Hier der Originaltext:

Stellungnahme des VfB Lübeck zur Presseberichterstattung über das SHFV-Pokalfinale

Nach Verfolgung der Berichterstattung zum gestrigen Landespokalfinale müssen wir feststellen, dass eine differenzierte und neutrale Beurteilung der Umstände des gestrigen Spiels weitgehend ausbleibt. Stattdessen beobachten wir vollkommen unangebrachte Dramatisierungen und eine wenig neutrale Aufarbeitung insbesondere durch den Präsidenten des SHFV, Hans-Ludwig Meyer.

Es ist gestern in beiden Fanlagern zu massivem Einsatz von Pyrotechnik gekommen. Zudem hatten einige VfB-Fans insgesamt wohl drei Taschen von außen über die Abzäunungen in den Fanblock geworfen. Hierzu bestand bei der Polizei die Befürchtung, dass die Taschen pyrotechnische Gegenstände enthielten. Wir übernehmen die Verantwortung für diese inakzeptablen Aktionen, soweit sie den VfB-Fanblock betrafen. Die weitere Aufarbeitung werden wir intern und nicht über die Medien vornehmen.

Grund für den verspäteten Anpfiff war, dass wegen der oben erwähnten Taschen eine Durchsuchung des VfB-Fanblocks für erforderlich gehalten wurde. Hierzu halten wir fest, dass nach unserem Kenntnisstand über den Fanbeauftragten, das Fanprojekt und Fanvertreter sowie den Sicherheitsdienst bereits eine Lösung gefunden worden war, als trotzdem Polizei in den VfB-Block eingerückt ist. Weiter halten wir fest, dass die VfB-Fans den Block dann friedlich verlassen haben und in die Pappelkurve gewechselt sind.  Die VfB-Fans haben also mit dem Einbringen der Taschen in den Block zwar den Anlass für die weiteren Sicherheitsüberprüfungen und die Verzögerungen gegeben. Keineswegs konnte das Spiel aber, wie man nach mancher Berichterstattung meinen könnte, wegen Ausschreitungen nicht pünktlich angepfiffen werden.

Wir halten es für unverantwortlich, wenn bei dieser Sachlage in der Öffentlichkeit teilweise Vergleiche zu 2011 gezogen werden. Damals war es beim Landespokalfinale zu schweren Ausschreitungen gekommen, als zunächst Kieler ein Lübecker Fanfest an der Haupttribüne attackierten und später aus dem Lübecker Fanblock heraus ein Platzsturm erfolgte. Wir distanzieren uns von der Verwendung von Pyrotechnik. Es ist aber nach unserem Kenntnisstand im Stadion zu keinerlei gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen, so dass die gemeinsamen Sicherheitsanstrengungen insoweit erfolgreich waren. Wir halten es bei dieser Sachlage für vollkommen unangebracht, Vergleiche zu 2011 zu ziehen oder wie Herr Meyer von „Horrorstunden für den Schleswig-Holsteinischen Fußball“ zu sprechen.

Schließlich vermissen wir die vom SHFV zum Pokalfinale immer wieder hervorgehobene Neutralität in der Bewertung der Fakten. Es ist Sache des SHFV zu entscheiden, wo er seine Endspiele austragen möchte. Wenn man wie Herr Meyer wegen der Ereignisse gestern nun den Endspielort Lübeck in Zweifel zieht, so kann man dies nur bei einer ziemlich einseitigen Betrachtung der Dinge. Wir erinnern nur an unser Endspiel in Kiel aus 2010, das wegen Pyrotechnikeinsatz aus dem Kieler Block unterbrochen werden musste.

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