Rostock – Investor Rolf Elgeti wollte gestern einen Brief an alle Mitglieder des FC Hansa Rostock schicken, aber das war wegen der vorübergehend geschlossener Geschäftsstelle des Klubs nicht möglich. Daher entschloss er sich auf der Hansa-Fan-Seite einen Offenen Brief zu veröffentlichen. Dieser Brief war bereits bekannt, bevor Hansa-Vorstandsvorsitzender Michael Dahlmann seinen Rücktritt erklärte (HL-SPORTS berichtete).

Ungekürzt und unkommentiert veröffentlicht die HL-SPORTS-Redaktion den Elgeti-Brief nachstehend:

„Offener Brief an die Mitgliederinnen und Mitglieder des FC Hansa

Liebe Leidensgenossen,

bitte erlaubt mir, dass ich mich direkt an Euch wende. Ich kann einfach nicht kommentarlos mitansehen, was hier in der Öffentlichkeit zu Lasten unseres Vereins ausgetragen wird.

Gehen wir doch mal in den Mai zurück. Herr Dahlmann und ich haben in dramatischen Tagen, Nächten und Stunden ein Rettungspaket für den Verein schnüren können. Auf das Paket brauche ich nicht mehr eingehen, es wurde auf der ao Mitgliederversammlung erläutert und von Euch auch mit großer Mehrheit angenommen. Ein bewegender Moment, wenn ich das sagen darf, wie Mitglieder, Vorstand, Aufsichtsrat und der böse Rolf gemeinsam für unseren Verein aufstanden. Danke für Euer Vertrauen.

Es gab ursprünglich einen zweiten Partner für die Rettung. Warum der in letzter Minute verprellt wurde und wer das zu verantworten hat, möchte nicht öffentlich machen, um nicht weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Ich habe diesen Teil dann mitübernommen, um den Verein nicht untergehen zu lassen.

Das gesamte Konzept basiert bekanntermaßen auf der Ausgliederung des Profibereichs. Die notwendigen Verträge dafür sind besprochen und sollten vor der Mitgliederversammlung am 1.11. fertig sein, damit wir dann alle final über das konkrete Paket abstimmen können. So, wie es am 13. Mai besprochen war.

In der Phase der Rettung war es naturgemäß ruhig. Vorschläge und Ideen waren dünn gesät. Heute und hinterher wissen natürlich sehr viele Leute alles besser und sehen viele Probleme. Wie ich mich am Verein bereichere und mich einmische etc. Dazu folgendes:

Obwohl die Ausgliederung Teil und Bedingung des ganzen Konzeptes ist, bin ich komplett „in Vorleistung“ gegangen und verlasse mich auf eine faire Behandlung – ohne jegliche Vertretung in den Gremien. Alle Verträge, die jetzt gerade so genüsslich in der Öffentlichkeit seziert werden, sind besser als ihre Vorgängerverträge. Substanzielle Forderungsverzichte sind besprochen und können unmittelbar nach der Ausgliederung umgesetzt werden. Wie es besprochen und präsentiert wurde.

Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: wenn jemand eine bessere Idee zur Rettung des Vereins hat, soll er sich doch bitte melden! Wenn jemand meint, dass ich einen super Deal gemacht habe, ebenfalls bitte, er kann gerne 1:1 in meine Verträge einsteigen.

Was mich an der ganzen Sache am meisten ärgert: Über das wirkliche Problem wird nicht gesprochen. Nämlich, dass unser Verein in dieser Saison in Planziel von etwa Minus 3,4 Mio (kein Tippfehler, leider). Das ist das Budget, das der Vorstand dem Aufsichtsrat vorgelegt und das dieser so abgesegnet hat. Es war auch Grundlage für die Lizenzerteilung. Fairerweise sind darin einige Abschreibungen enthalten, so dass wir im geplanten und genehmigten Budget „nur“ über 2 Mio pro Saison cash verbrennen. Wie bitte sollte es auch nur theoretisch möglich sein, dass sich hier irgendjemand bereichert? Und: Gibt es ein Restrukturierungskonzept vom Vorstand? Nein! Vom Aufsichtsrat? Nein!

Ich habe gesagt, dass ich mich nicht in den Verein einmischen möchte und tue es jetzt doch. Das stimmt. Ich hatte geglaubt, das Richtige zu tun, indem ich sage: Lasst uns die Vereinskultur maximal erhalten, die Führungsmannschaft weiß, was sie tut. Alle Freunde und Bekannte haben mir abgeraten. Ich habe es trotzdem gemacht. Es war ein Fehler. Ein unfassbar naiver und dämlicher Fehler von mir. Hätte ich im Mai gesagt: „Ich gebe gerne das Geld, aber Ihr müsst mir bitte dann auch zugestehen, dass ich dann den Vorsitz des AR übernehme“, hättet Ihr mich dafür wohl gehasst, aber ich glaube, jeder hätte es verstanden.

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Nach langem Schweigen (wie im Stadion: die Hoffnung stirbt zuletzt) habe ich mich dann doch eingemischt. Zunächst die Personalie Dahlmann. Ihr erinnert Euch: auf der ao Mitgliederversammlung wurde seitens des Aufsichtsrates eine Vertragsverlängerung angekündigt – unter Eurem Beifall. Das Ergebnis ist bekannt. Also habe ich meinen Wunsch diesbezüglich an den Aufsichtsrat getragen. Erpresst oder Druck ausgeübt habe ich nicht, ich habe inzwischen dem Aufsichtsrat auch signalisiert, dass ich alle Verträge (Forderungsverzicht) auch personenunabhängig schließen würde. Das hat übrigens bisher nicht dazu geführt, dass ich diese Vertragsentwürfe erhalten habe.

Ich habe mich ein zweites Mal eingemischt, indem ich Vorstand und Aufsichtsrat nach einem Sanierungskonzept gefragt habe. Antwort: Fehlanzeige. Ich habe dann nach langem Warten selber eines erstellt, obwohl das aus Außenstehender logischerweise weitaus schwerer ist und es an Vorstand und Aufsichtsrat gemailt. Feedback: (Ihr ahnt es….) keines.

Ein drittes Mal habe ich mich eingemischt, als sich Herr Ahrens entschieden hat, unseren Vorstandsvorsitzenden öffentlich zu demontieren. Ich habe per email mein Unverständnis zum Ausdruck gebracht und ja, ich habe ihm den Rücktritt nahe gelegt. Das bereue ich auch nicht. Wenn der Aufsichtsrat der Meinung ist, dass Herr Dahlmann nicht der Richtige ist, soll er ihn rauswerfen. Aber nach all den Problemen nach dem Magdeburg Spiel und der Strafanzeige gegen ihn jemanden öffentlich zu demontieren und so in den Rücken zu fallen, geht nach meinem Wertesystem nicht. Gar nicht und niemals.

…und das alles vor dem Hintergrund, dass jeder Tag ein Loch von ca. 5.500 Euro in unsere Kassen brennt. Wir haben keine Zeit für solche Spielchen!

Offen gesagt: Mir reicht’s! Ich kann diese Stümperei nicht mehr mitansehen. Und auch wenn ich mich jetzt noch unpopulärer mache: Ich werde am 1.11. für den Aufsichtsrat kandidieren. Für den Fall einer Wahl verspreche ich Euch, mich mit voller Kraft für die Sanierung unseres Vereins einzusetzen. Anreiz, das hinzukriegen, habe ich ausreichend….

Ein Wort zu meinem Verhältnis zu den sogenannten Ultras: Ja ich tausche mich mit Herrn Eggert et al regelmäßig aus und habe sie auch vor meinem Engagement getroffen. Was denn auch sonst? Miteinander reden ist immer besser als übereinander. Die Fanszene stellt einen wichtigen Stimmenblock auf jeder Mitgliederversammlung – wer nicht mit ihnen redet und etwas mit dem Verein machen möchte, handelt in meinen Augen grob fahrlässig. Und all denen, die gerne die Fanszene angreifen, möchte ich auch eines zurufen: Die Herren, die ich kennengelernt habe, bemühen sich sehr intensiv und sehr sachlich darum, dass die Mitglieder bestmöglich bei der Ausgliederung vertreten sind. Schaut Euch doch mal an, wer auf den Mitgliederforen präsent ist und vor allem gute Beiträge leistet. Wir alle sollten Herrn Eggert et al dafür sehr dankbar sein. Wo gibt es denn sonst einen Ausgliederungsprozess, der mit so viel Transparenz und Mitsprache für die Mitglieder stattfindet? Dass wir alle uns von Gewalt und den Vorkommnissen im Spiel gegen Magdeburg distanzieren müssen, ist dabei natürlich klar.

Ich möchte zum Abschluss noch etwas Wichtiges sagen, was viel zu selten gesagt wird: Danke an die Mitarbeiter des Vereins, die trotz allem weiter arbeiten, danke an die Mannschaft, danke an alle Neuzugänge in der Mannschaft, die trotz der Unsicherheiten zu uns gekommen sind, danke an die Herren Klein und Baumann, die uns wieder Hoffnung geben, danke an unsere Sponsoren, die uns die Stange halten und sich auch in die wichtigen Diskussionen einbringen, danke an die Zuschauer, die wieder ins Stadion kommen. Danke!

Lasst uns doch bitte alle an einem Strang ziehen und den besten Club der Welt erhalten!

Ich stehe weiter zu meinem Engagement für den Verein. Es muss aber allen klar sein, dass wir dringend wirkliche Veränderungen brauchen. Bitte helft mir dabei!

Wir sehen uns gegen Dresden, jetzt erst recht.

Euer
Rolf“

 

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