Lübeck – Im September wurden zwei Spiele im Bereich des Kreisfußballverbandes Lübeck wegen Angriffen auf Schiedsrichter abgebrochen, eine Tatsache die absolut nicht akzeptabel ist. Ohne Schiedsrichter ist ein ordentlicher Spielbetrieb nicht möglich und vermehrt auftretende Fälle von Gewalt gegen sie trägt sicher auch nicht zur Gewinnung von notwendigem Nachwuchs bei.

HL-SPORTS sprach über diese Thematik mit Dr. Tim Cassel, der beim Schleswig-Holsteinischen Fußball-Verband stellvertretender Geschäftsführer und Abteilungsleiter Soziales ist und sich unter anderem im Bereich Gewaltprävention engagiert.

HL-SPORTS: Hallo Tim, in der jüngeren Vergangenheit gab es vermehrt Spielabbrüche in Schleswig-Holsteins Ligen, die aufgrund von Attacken gegen Schiedsrichter provoziert wurden. Welche Fälle waren das und was ist genau passiert?

Dr. Tim Cassel: „Statistisch gesehen lässt sich nicht sagen, dass wir in der jüngeren Vergangenheit vermehrt Spielabbrüche in Schleswig-Holstein aufgrund von Attacken gegenüber Schiedsrichtern haben. Derartige Vorfälle sind zum Glück im Verhältnis zur Gesamtzahl der stattfindenden Spiele im absoluten Promillebereich. Richtig dagegen ist: Es hat auch in der jüngeren Vergangenheit derartige Fälle gegeben und jeder davon ist einer zu viel.
Jeder Fall wird von dem jeweils zuständigen Gericht – egal ob auf Kreis- oder Verbandsebene – aufgearbeitet und etwaige Schuldige werden ihrer Tat angemessen sanktioniert. Denn eines ist klar: Derartiges Verhalten wird in keiner Weise gebilligt. Der Schutz unserer Schiedsrichter ist vorderstes Gebot und sollte auch im Interesse aller Vereine und Spieler sein. Emotionale Reaktionen gehören sicherlich zum Fußball dazu, sollten aber die fußballspezifischen Grenzen nicht überschreiten. Wenn die Kritik an vermeintlichen Fehlentscheidungen in persönliche diskriminierende Äußerungen oder gar körperliche Attacke ausartet ist diese Grenze weit überschritten. Spieler die das nicht begreifen gehören nicht mehr auf den Platz! Manche sogar langfristig, wer es gar nicht begreifen will, vielleicht gar nicht mehr!“

HL-SPORTS: Die Saisons sind noch sehr jung. Wie sehr bedrückt dich das Thema und welche Einschätzung hast du dazu?

Dr. Tim Cassel: „Das Thema ist schon seit längerer Zeit aktuell, wobei es sich wie bereits erwähnt glücklicherweise immer noch um Einzelfälle handelt. Diese betrachten wir gleichwohl mit besonderer Aufmerksamkeit. Bei der Aufarbeitung dieser Fälle habe ich vollstes Vertrauen in die Arbeit unserer Kreis- und Sport- und Verbandsgerichte.“

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HL-SPORTS: Welche Präventiv-Maßnahmen gibt es von Seiten des SHFV und wie könnt ihr in „Problem-Vereinen“ dagegenwirken?

Dr. Tim Cassel: „Unsere Präventivmaßnahmen sind im Rahmen unserer mittlerweile fast 10-jährigen Aktion „SH kickt fair“ (siehe auch www.shfv-kiel.de/fairplay, hier sind sämtliche Projekte vorgestellt) umfangreich aufgestellt und setzen vor allem im Jugendbereich an. Das geht von der Einführung der Fair Play-Liga bis zu gewaltpräventiven Inhalten in der Trainerausbildung. Besonders den Jugendtrainern kommt eine wichtige Aufgabe zu. Sie sind nicht nur für die sportliche Ausbildung der Akteure verantwortlich, sondern auch dafür, dass alle lernen sich auf dem Platz untereinander, gegenüber den Gegenspielern und Schiedsrichtern fair zu verhalten. Und natürlich werden auch die Schiedsrichter in Schleswig-Holstein entsprechend geschult, um adäquat auf Konfliktsituationen vorbereitet zu sein. Im Übrigen: Ich finde, dass der Schiedsrichterbereich in Schleswig-Holstein im Vergleich zu anderen Landesverbänden außergewöhnlich gut aufgestellt ist.
Mit deren Qualität haben derartige Vorfälle am Wenigsten zu tun. Mein Eindruck ist vielmehr, dass einige Spieler, die handgreiflich gegenüber Schiedsrichter werden, eher frustriert über ihre eigenen fußballerischen Mängel sind.

Ferner liegt meiner Meinung nach die Verantwortung für die Einhaltung von Fair Play auf dem Platz nicht nur bei den Schiedsrichtern, sondern bei sämtlichen Akteuren eines Spiels. Auch denen am Rande des Spielfeldes. Auch die Vereinsverantwortlichen müssen wieder stärker auf ihre Spieler und Trainer einwirken, dass ein faires Verhalten gegenüber den Schiedsrichtern zum Kern des Spiels gehört. Mit Blick auf so genannte „Problem-Vereine“ kann ich nur sagen: Die Erfahrung hat gezeigt, dass diese Vereine auch selber begreifen müssen, dass sie ihren Teil zur Lösung der Probleme beitragen müssen. Gelingt ihnen das nicht, so wird sich das Fehlverhalten auch als sportlicher Misserfolg niederschlagen. Sicherlich sind wir bereit, die Vereine bei ihren Problemen auch beratend zu unterstützen und haben das in der Vergangenheit schon häufig erfolgreich getan. Das Verhalten verändern können aber letztendlich nur die Spieler selbst. Und wenn sie das nicht begreifen, werden sie irgendwann nicht mehr auf dem Platz stehen dürfen.“

HL-SPORTS: Wie ist die Entwicklung solcher Abbrüche zu beurteilen, im Vergleich zu den letzten Jahren?

Dr. Tim Cassel: „Wie bereits oben geschildert können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht davon sprechen, dass sich die Anzahl der Spielabbrüche im Vergleich zu den Vorjahren signifikant erhöht hat.“

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