Lübeck – Die Grün-Weißen Anhänger des VfB Lübeck gehen beim Streit um den Umbau des Stadions Lohmühle in die Offensive. Nun meldete sich der Fankreis des Regionalligisten zu Wort und gibt der Stadt weitere Hausaufgaben auf. In reiner Pressemitteilung heißt es:

Ein Reisebericht: Über Schilda in den Märchenwald
(ein Bauantrag des VfB Lübeck gefangen im Netz der Bauverwaltung)

Wer dachte, der lübsche Verwaltungswahnsinn habe zu Beginn des Jahres seinen Höhepunkt erreicht, nachdem die Polizei dem VfB Lübeck in Sachen Stadionbetrieb durch die Weitergabe „alternative Fakten“ Knüppel zwischen die Beine warf vgl. 1, woraufhin die Alte Holze vollkommen unberechtigt ein halbes Jahr nicht genutzt werden konnte, musste sich im Juli eines Besseren belehren lassen. Die Lübecker Bauverwaltung setzte tatsächlich dem Vorgehen der Polizei noch eine Krone auf und verhindert (nach sehr langer, langer Bearbeitungszeit), dass der VfB Lübeck eine eigenfinanzierte Modernisierung des Stadions durchführt vgl. 2. Einerseits wirkt es auf den Außenstehenden arg befremdlich, dass für eine Teilmodernisierung des Stadions ein umfassendes, aktualisiertes Sicherheits- und Brandschutzkonzept für das gesamte Stadion gefordert wurde, andererseits findet sich in den Auflagen eine Formulierung, die einem den Atem raubt:

„(…) Der Block darf nicht als „Fanblock“ genutzt werden (besondere Gefahrensituation). (§§ 3, 15 LBO i.V.m. § 51 LBO)“ vgl. 3

Bitte was? Eine Zuschauertribüne, die nicht als „Fanblock“ genutzt werden darf? Was ist ein „Fanblock“, wer ist ein „Fan“, anhand welcher Kriterien kann ein Verein prüfen, ob dort ein „Fan“ oder ein „Nicht-Fan“ steht, usw.? Und wo findet sich die Grundlage für die Aussage, es handle sich bei einem „Fanblock“ um eine „besondere Gefahrensituation“? In den dort angegebenen Paragrafen der Landesbauordnung (LBO) vgl. 4 finden sich weder die Begriffe „Fanblock“, noch „besondere Gefahrensituation“; auch ein Blick in die Versammlungsstättenverordnung (VStättVO) vgl. 5 bringt hierbei keine Aufklärung. Wer nun glaubt, die Bauverwaltung erkenne diesen Irrtum, ändere den entsprechenden Bescheid umgehend ab und entschuldige sich für eine solche Auflage, für die weder eine Rechtsgrundlage noch eine Definition besteht, der irrt. Die Versuche des Vereins, die Grundlage dieser Auflage in Erfahrung zu bringen und diesen Irrsinn möglichst geräuscharm durch persönliche Gespräche aus der Welt zu schaffen, scheiterten – es blieb einzig nur die Möglichkeit des Widerspruches gegen diese Auflage der Baugenehmigung, den der VfB Lübeck auch eingelegt hat.

Herzlich willkommen in Schilda!

Unter Hinweis auf dieses laufende Widerspruchsverfahren ließ die Bauverwaltung in der Folge alle Anfragen der deutschlandweit (amüsiert) berichtenden Pressevertreter auflaufen und erteilten keine Auskünfte; eine Entscheidung über diesen Widerspruch gab es jedoch bisher auch noch nicht. Erst als die Facebook-Initiative „Wir sind die Pappelkurve“vgl. 6 lokale PolitikerInnen mit einem offenen Brief anschrieb (weshalb einige Parteien und insbesondere ehemalige Funktionsträger im Verein wie Peter Reinhardt, Wolfgang Baasch oder Willi Meyer sich der Sache nicht annahmen, dürfte ihr Geheimnis bleiben), wurde die wortkarge Bauverwaltung etwas mitteilsamer und antwortete über die zuständige Senatorin u.a.:

„Die Vorgabe für den Bau von Sportstätten haben sich zwischenzeitlich stark verschärft. Aktuell ist eine Richtlinie des DFB zum Bau von Stadien zu beachten, die über das Bundesministerium des Inneren (BMI) und die Länder für die Kommunen erlassen wurde. In dieser Richtlinie werden mögliche Gefahrenpotentiale „klassifiziert“ (es gibt vier mögliche Kategorien), was natürlich eine individuelle Betrachtung bzw. Bewertung erschwert. Der DFB klassifiziert die „Fans“ als erhebliches Gefahrenpotential.“ vgl. 7

Wer jetzt glaubt, dass man wäre mit diesen Aussagen schlauer geworden, der irrt. Vielmehr wirkt diese Aussage so, als versuche man die Schuld für dieses Dilemma auf andere abzuschieben (Bund, Land und DFB).

Die in der Textpassage angesprochene Richtlinie des DFB lässt sich schnell finden vgl. 8, jedoch darin leider weder eine Klassifizierung von Fans in vier mögliche Kategorien (üblicherweise klassifizieren DFB und Sicherheitsorgane in den Kategorien A-,B- und C-Fans vgl. 9), noch die pauschale Aussage des DFB, „Fans“ seien ein „erhebliches Gefahrenpotential“. Welche Aussage man hingegen bereits in § 1 finden kann, ist die klare Definition des Geltungsbereiches, welcher nur die ersten drei Ligen beinhaltet, nicht jedoch die Spielklasse des VfB Lübeck (Regionalliga). Schon an dieser Stelle wirken die Aussagen der Senatorin befremdlich bis beschämend, zumal die angesprochenen Richtlinien des DFB – einem Fußballverband – sicherlich keinen gesetzgebenden Charakter haben dürften. Wenn man sich dann jedoch auf die Suche nach den angemerkten Erlassen des Bundes und der Länder, mit denen die DFB-Richtlinien in Baugenehmigungsverfahren rechtsverbindlich werden sollen, macht, stößt man in den Unweiten des Internets leider an seine Grenze – derartige Erlasse sind nicht zu finden (zumindest ist uns das nicht gelungen)!

Scheinbar durch Nachfragen seitens der Politik dürfte das Thema des Umbaus der Pappelkurve kurzfristig auf die Tagesordnung des Bauausschusses vom 04.09.2017 gekommen sein, aus der folgende Aussagen der Verwaltung übermittelt wurden:

„Natürlich dürfen auch nach einem Umbau Fans in diesem Bereich. Nach den Richtlinien des Deutschen Fußball Bundes (DFB) für Fußballstadien dürfen dort nach derzeitigem Planungsstand "keine organisierten Fangruppen, die bereits häufiger aufgefallen sind" eingelassen werden, so die Bauverwaltung. „Für den Umbau eines Stadions gelten die Richtlinien für "Versammlungsstätten". Der VfB hat einen "Abweichungsantrag" von den Vorschriften beantragt. Die Treppe soll steiler als üblich angelegt werden, damit die Fans einen besseren Blick haben. Die Stadt hat den Antrag genehmigt. Die Landesregierung hat allerdings festgelegt, dass bei Stadienbauten die Richtlinien des DFB berücksichtigt werden sollen. Und die fordern bei einer solchen Abweichung, dass die betroffenen Bereiche nicht für organisierte Fans zugelassen werden, die häufiger auffällig geworden sind.

Natürlich gebe es Lösungen, so die Bauverwaltung. Die gebe es bei anderen Stadien in Deutschland auch. Welche Möglichkeiten bestehen, klären der Verein und die Stadtverwaltung am Dienstag“ vgl. 10

Jetzt wird es erst richtig abenteuerlich, wir verlassen Schilda und kommen direkt in den Märchenwald – aber der Reihe nach:

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1. Nunmehr geht es scheinbar nicht mehr um den Begriff „Fanblock“ aus der Baugenehmigung, sondern um „organisierte Fangruppen, die bereits häufiger aufgefallen sind“. Einerseits ist dies nicht der Wortlaut der Auflage aus der Baugenehmigung, andererseits lässt sich auch eine solche Eingruppierung in den DFB-Richtlinien nicht finden (einzig auf Seite 133 zum Thema „Sicherheitsbesprechung“ könnte man solche Formulierungen herauslesen, mit dem Bau einer Tribüne und deren Nutzung hat dies jedoch gar nichts zu tun).

2. Auch nicht zu finden in den Richtlinien des DFB ist die Aussage, dass bei „Abweichungsanträgen“ nur noch „nicht organisierte Fans“ diesen Bereich nutzen dürften. Eine solche Regelung wäre auch ziemlich befremdlich, schließlich kann kein Betreiber eines Stadions beim Eintritt prüfen, ob ein „organisierter“ oder ein „nicht organisierter“ Fan das Stadion betritt, sofern dieser sich nicht beispielsweise durch Kleidung klar zu einer Gruppierung zugehörig zeigt.

3. Dass für den Bau von Stadien laut Festlegung der Landesregierung die Richtlinien des DFB gelten sollen, ist weiterhin eine unbelegte Behauptung (was ist eigentlich mit Stadien, in denen kein Fußball gespielt wird, müssen etwa auch reine Leichtathletikstadien den DFB-Richtlinien entsprechen?).

4. Von einem Gesprächstermin am Dienstag (Anmerkung: 10.09.2017) ist dem VfB Lübeck nichts bekannt. vgl. 11

Hinsichtlich des angesprochenen „Abweichungsantrags“ ist zu erwähnen, dass es sich hierbei lediglich um eine minimale Abweichung von den DIN-Normen handelt und dass dieser auf Grundlage der Versammlungsstättenverordnung genehmigt wurde. Diese Genehmigung ist jedoch kein großzügiges Entgegenkommen der Lübecker Bauverwaltung, sondern deutschlandweit gängig Praxis bzw. entspricht sogar der gängigen Fachliteratur vgl. 12: Der Neigungswinkel des Lübecker Bauvorhabens beträgt 26,57 Grad und ist damit wesentlich geringer als viele andere Stadien in Deutschland, in denen ein Neigungswinkel von bis zu 36,9 Grad anzutreffen ist vgl. 13. Aus keinem der Stadien mit einem vergleichbaren oder gar größeren Neigungswinkel als dem in Lübeck geplanten Winkel ist eine Auflage wie die der lübschen Bauverwaltung bekannt. Gemessen an den heutigen deutschlandweiten Standards wirkt der geplante Winkel von 26,57 Grad eher beschaulich:

„Die Ränge des Olympiastadions steigen mit etwa 25 Grad an. Das ist nicht steil. Mehr als 30 Grad Steigung sind inzwischen Standard.“ (Christopher Pauer, Experte vom Fachportal Stadionwelt.de) vgl. 14

Was bleibt jedoch nach dieser Reise über Schilda in den Märchenwald hängen? Es wirkt, als habe sich die zuständige Mitarbeiterin der Lübecker Bauverwaltung massiv vergaloppiert und weder Sie noch Ihre zuständigen Vorgesetzten haben den Schneid, diesen Fehler einzugestehen und aufzuheben. Lieber werden abenteuerlichste Behauptungen bzw. Fehlinformationen gestreut und es wird versucht, die Schuld an Dritte abzugeben (Bund, Land und DFB). Dieses Vorgehen ist weder unserer schönen Hansestadt, noch unserem Verein zumutbar; ganz Deutschland hat sich lange genug vor Lachen auf die Schenkel geschlagen, jetzt muss endlich Klarheit geschaffen werden! Wenn die Bauverwaltung tatsächlich an Ihren Märchengeschichten festhalten will, soll sie umgehend einen entsprechenden Widerspruchsbescheid fertigen, damit eine gerichtliche Klärung herbeigeführt werden kann (damit auch die Richter mal etwas zum Lachen bekommen) – lieber wäre es uns allen natürlich, wenn man den Fehler einfach eingestehen könnte, doch dazu fehlt den Beteiligten der Stadtverwaltung leider scheinbar tatsächlich der Schneid!

Mit grün-weißen Grüßen aus dem Märchenwald

Euer Vorstand des Fankreises

PS: Weshalb sich der oberste Verwaltungschef zu den Vorgängen in seiner Verwaltung bisher nicht äußerte, obwohl er doch (zumindest in Erfolgsfällen) ein, wie er selbst behauptet, grünweißer Anhänger ist, ist eine weitere bisher unbeantwortete Frage.

1 = vgl. Veröffentlichung des Fankreises vom 09.02.2017 (http://www.fankreis-vfb-hl.de/viewtopic.php?f=21&t=221)
2 = vgl. Stellungnahme des VfB Lübeck vom 25.07.2017 (https://vfb-luebeck.de/informationen-zum-umbau-der-pappelkurve/)
3 = vgl. Baugenehmigung vom 11.04.2017, u.a. erwähnt auf FuPa.net (https://www.fupa.net/berichte/vfb-luebeck-behoerdenirrsinn-stoppt-tribuenenbau-beim-vfb-lu-907010.html)
4 = vgl. http://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/?quelle=jlink&query=BauO+SH&psml=bsshoprod.psml&max=true&aiz=true
5 = vgl. http://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/?quelle=jlink&query=VSt%C3%A4ttV+SH&psml=bsshoprod.psml&max=true&aiz=true
6 = vgl. https://www.facebook.com/Pappelkurve/
7 = vgl. offener Brief von Jan Lindenau vom 15.08.2017, nachlesbar unter https://www.facebook.com/Pappelkurve/
8 = vgl. https://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/123174-Richtlinien_zur_Verbesserung_der_Sicherheit_ab_01_12_16.pdf
9 = vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Zentrale_Informationsstelle_Sporteins%C3%A4tze
10 = vgl. https://www.hl-live.de/aktuell/textstart.php?id=116713
11 = vgl. https://www.hlsports.de/index.php?content=news&view=22760
12 = vgl. http://darwin.bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2006/1670/pdf/Nixdorf_Stefan.pdf
13 = vgl. http://www.stadionwelt.de/sw_stadien/index.php?head=Stadion-Gigant-mit-extrem-steilen-Raengen&folder=sites&site=news_detail&news_id=10450
14 = vgl. http://www.bz-berlin.de/berlin-sport/hertha-bsc/b-z-beantwortet-die-wichtigsten-fragen-zum-neuen-hertha-stadion

Damit endet die Pressemitteilung.

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