Kiel – Ein kurioses und trauriges Ende fand die Partie zwischen Holstein Kiel II und dem ATSV Stockelsdorf in der Frauen-Landesliga am vergangenen Sonntag. Nach wenigen Minuten brach Schiedsrichter Olaf Duhnke die Begegnung ab. Zu diesem Zeitpunkt führte der Tabellenführer aus Ostholstein mit 1:0.

Was war passiert?

Die Vorgeschichte begann am vergangenen Freitag, als die Holstein-Women am frühen Abend ins Vereinsheim des VfB Kiel zitiert wurden. Dort teilte man ihnen mit, dass sich ihr Verein Holstein Kiel zukünftig nur noch um den Herrenbereich und männlichen Nachwuchs widmet. Die Frauen werden „abgeschoben“ zum VfB und zwar schon in ein paar Wochen. Alle Frauen und ihre Trainer waren geschockt.

Eine Reaktion zeigte die Regionalliga-Reserve zum Spiel gegen Stockelsdorf. Die Holstein-Women hatten nur weiße Shirts an, keine Trikots mit Vereinswappen. „Vor dem Spiel informierte man uns bereits, dass es heute nicht so läuft, wie sonst“, sagte Marialiiza Kranz vom ATSV bei HL-SPORTS. Ihre Mannschaft führte den Anstoß aus, doch auf Kieler Seite bewegte sich niemand. Alle Gastgeberinnen blieben stehen, leisteten keine Gegenwehr. Das 1:0 somit nach ein paar Sekunden. Der Wiederanpfiff erfolgte, der Ball wurde noch ein paar Mal in den Holstein-Reihen gehalten. Dann kamen alle elf Kielerinnen zu einem Kreis zusammen und setzten sich auf den Rasen, spielten nicht weiter.

„Für uns war es eine seltsame Situation, weil wir nicht wussten, was wir machen sollten. Der Schiri ging zum Kreis und sprach mit den Holsteinerinnen. Die winkten uns her und wir stellten uns dazu. Danach sprach der Schiri mit dem Kieler Trainer und brach das Spiel ab. Wir sind dann alle in die Kabinen“, berichtet Kranz weiter, die früher selbst das Holstein-Trikot in der Bundesliga trug und sogar Spielertrainerin bei der zweiten Mannschaft war, bevor sie über Eichholz nach Stockelsdorf wechselte. „Es ist eine Riesen Sauerei, was da mit den Mädels in Kiel abgezogen wird. Ich bin sehr enttäuscht von meinem ehemaligen Verein, für den mein Vater und ich viel gegeben haben“, so die 31-Jährige.

Das Spiel wird nun für die Ostholsteinerinnen gewertet, doch der Image-Schaden für Holstein Kiel ist groß. Bundesweit sorgte bereits am Sonntag ein Video und verschiedene Medienberichte für Aufsehen.

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Video: Jana Walther/Textkombüse

Schleswig-Holsteins Verbandspräsident Hans-Ludwig Meyer, bekennender Holstein-Fan und großer Freund des Frauenfußballs äußerte sich am Montag bei HL-SPORTS zu dem Fall. „Ich habe am Sonntagabend einen Brief an Holstein geschickt, wo ich ausdrücklich das Engagement des Vereins im Lizenz-Bereich lobe, jedoch auch mein Bedauern über die Entscheidung zur Frauensparte zum Ausdruck gebracht habe. Bei der ganzen Euphorie um Holstein ist das jedoch ein Schluck Wasser in den Wein. Wir als Verband haben kein Einwirkungsrecht, es ist aber ein Rückschlag für den Frauenfußball in Schleswig-Holstein. Das muss man sagen. Der SV Henstedt-Ulzburg und Holstein Kiel sind immer Leuchttürme in diesem Bereich gewesen. Holstein hat eine Strategie und die beruht auf die volle Ausrichtung des männlichen Nachwuchses. Das Rad zurückdrehen können wir nicht und ich hoffe, dass die Mädchen und Frauen einen adäquaten Verein finden, wo sie unterkommen. Wir als Verband helfen da gerne. Möglich erscheint mir auch vielleicht Eintracht Kiel, weil ich hörte, dass es beim VfB Kiel Schwierigkeiten geben soll. Das habe ich bereits in unserem Verband kommuniziert. Wir tun viel für den Frauenfußball, haben das Pokalfinale am gleichen Tag, wie die Männer und die Futsal-Landesmeisterschaft.“

Aminata Touré, gleichstellungspolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion, reagierte und erklärte: „Öffentliche Fördergelder beanspruchen aber Gleichstellungspolitik aus dem vorletzten Jahrhundert praktizieren – das passt nicht zusammen. Das Land übernimmt rund 7 Millionen und damit zwei Drittel der Gesamtkosten für den Ausbau des Holstein-Stadions. Diese Förderung muss nun aus gleichstellungspolitischer Sicht neu bewertet werden. Es wird auch geprüft werden müssen, ob die Förderung einer beihilferechtlichen Bewertung noch standhält. Denn Bedingung war, dass die geförderte Sportinfrastruktur zu 20 Prozent der Nutzungszeiten anderen Profi- und Amateursportler*innen zur Verfügung steht. Der Verein hat sich dagegen mit aller Macht gewehrt. Der Rauswurf der Frauenabteilung belegt die Haltung von Holstein Kiel nach dem Motto ‚Der Staat darf zahlen, aber bitte nur für die Herren-Mannschaft‘. Diese Macho-Haltung des KSV Vorstandes ist für uns absolut inakzeptabel und offenbart ein gleichstellungspolitisches Verständnis aus dem vorletzten Jahrhundert.“

Fraglich ist nun, wie die Frauen-Teams von Holstein weiter agieren und ob sie überhaupt zukünftig für den VfB Kiel spielen wollen. Letztlich sind Saisonplanungen meist durch und in Kiel und im Land gibt es noch andere Clubs, die sich für den Frauenfußball engagieren und ihre Verantwortung dort sehen. Bei Holstein ist das offensichtlich nicht so. Eine bittere Scheidung auf dem Rasen. Am Dienstag (1.5.) müssen die Holstein-Women II gegen den TSV Pansdorf antreten. Anpfiff ist um 14 Uhr auf der Sportanlage Waldwiese in Kiel.

HL-SPORTS behandelt das Thema in der Wochen-Umfrage. Hier jetzt abstimmen.

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