Bundesliga-Schiedsrichter Robert Schröder zu Gast in Lübeck. Foto: LS

Lübeck – Die Bundesliga startet heute in das neue Jahr. Im Norden kann man aktuell nur in Bremen, Hannover oder Wolfsburg Erstliga-Fußball sehen. Schön, dass man trotzdem einen tieferen Einblick bekommen hat – und zwar in Person von Schiedsrichter Robert Schröder, der im vergangenen Dezember bei den Lübeckern zu Gast war. Für HL-SPORTS die Möglichkeit ein Interview mit dem 34-Jährigen zu führen.

HL-SPORTS: Hallo Robert, du warst vor kurzem bei den Lübecker Schiedsrichtern zu Gast. Was hat dir besonders gut gefallen und wie viele Veranstaltung, bei denen du Vorträge gibst, hast du pro Jahr?

Robert Schröder: Die Veranstaltung in Lübeck hat mir sehr gefallen und ich habe mich über die Einladung sehr gefreut. Im Jahr halte so etwa zehn Vorträge. Zumeist auf kleineren Lehrabenden oder auf Weiterbildungslehrgängen im Verband. Der Rahmen der Lübecker Veranstaltung war in Hinblick auf die Organisation und das Interesse, auf das diese Veranstaltung bei den Schiedsrichtern stößt, sehr beeindruckend.
Gerade in den jetzigen Zeiten ist es wichtig, dass die Schiedsrichter zusammenhalten. Diese Veranstaltung trägt in vorbildhafter Weise zu einer starken Gemeinschaft bei.

HL-SPORTS: Seit September 2018 pfeifst du in der Bundesliga. Es war das Spiel RB Leipzig gegen VfB Stuttgart. Was ging dir vor dem Spiel durch den Kopf? Wie aufgeregt warst du?

Robert Schröder: Natürlich ist das erste Bundesligaspiel etwas ganz Besonderes. Ich habe mich aber nicht großartig anders vorbereitet als bei Spielen zuvor. Die Anspannung unmittelbar vor dem Spiel war dann aber schon etwas höher als sonst. Das legte sich aber, nachdem die ersten Minuten gut gelaufen waren.

HL-SPORTS: Du kommst nun auf 16 Bundesligaspiele, die du geleitet hast. An welche lustige oder traurige Szene erinnerst du auf Anhieb?

Robert Schröder: Da gibt es wenig Spannendes zu berichten. Es waren zumeist Spiele, in denen man sich als Schiedsrichter im Hintergrund halten konnte, was grundsätzlich auch gut ist. Daher kann ich auf Anhieb weder lustiges noch trauriges aus meinen Spielen berichten.

Zwei Aufsteiger, ein Interview: Die Schiedsrichter Robert Schröder vom HSC Hannover Fußball und Daniel Schlager vom FC Rastatt 04 freuen sich auf Spiele in der Bundesliga. ➡️ http://dfb.social/dBPosted by IG Schiedsrichter on Saturday, August 11, 2018

Schiedsrichter sind eben nicht die „Doofen“

HL-SPORTS: Schiedsrichter sind immer die „Doofen“. Irgendwas ist ja immer… Wie gehst du damit um und welcher Ton herrscht auf dem Platz, wenn es gut oder schlecht läuft?

Robert Schröder: Zunächst würde ich gerne der Einleitung deutlich widersprechen! Schiedsrichter sind eben nicht die „Doofen“. Ich habe etliche Spiele auf allen Ebenen erlebt, wo ich als Schiedsrichter viel Lob und Anerkennung von allen beteiligten Seiten erhalten habe, auch wenn es nach Abpfiff einen Verlierer und Gewinner gegeben hat.
Auch ganz generell erkennen sehr viele Leute die Leistung und den Einsatz der Schiedsrichter an und sind sich bewusst: Ohne Schiedsrichter geht es nicht! Aber natürlich kann der Schiedsrichter es manchmal nicht allen Recht machen. Auch ich habe das erlebt. Der Ton kann dann auch einmal rauer werden. Jedoch muss der Respekt und auch die Emotionalität in einem vertretbaren Rahmen bleiben. Außerdem ist es wichtig, dass sich alle Beteiligten ihrer Vorbildfunktion bewusst sind und dieser auch nachkommen.

Thema: Videobeweis

HL-SPORTS: Ein Thema ist der Videobeweis und darüber hälst du Vorträge. Sicherlich könntest du Stunden darüber sprechen, doch welche Vorteile bringt er für euch und gibt es auch Nachteile?

Robert Schröder: Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich berichten, dass mir der Video-Assistent sehr viele Vorteile bringt. Grundsätzlich versuche ich natürlich meine Spiele so zu leiten und meine Entscheidungen so zu treffen, dass ich die Hilfe des Video-Assistenten gar nicht erst benötige. Das ist in der heutigen Zeit durch die Veränderung des Spiels mit Blick auf Schnelligkeit und Komplexität aber nicht in Gänze möglich. Daher bin ich froh, den Video-Assistenten als eine Art Back-Up zu haben. Am Ende trifft immer der Schiedsrichter auf dem Platz die Entscheidung. Der Video-Assistent hat mir daher bislang ausschließlich Vorteile gebracht.
Nachteile gibt es aus meiner Sicht keine. Ich sehe höchstens Verbesserungspotentiale, die in den letzten Jahren und Monaten aber schon auch reichlich umgesetzt wurden.
Natürlich gibt es noch weiterhin Entscheidungen über die diskutiert wird, weil kein Mensch perfekt ist, aber dennoch sind viele Fehler durch den Einsatz des Video-Assistenten verhindert wurden.

HL-SPORTS: „Der Videobeweis klaut die Emotionen“ ist eines der beliebtesten Kritikpunkte dazu. Wie denkst du persönlich darüber?

Robert Schröder: Dazu habe ich eine andere Meinung. Ein Beispiel aus der Praxis: Es fällt ein Tor. Jeder Zuschauer jubelt ganz normal. Kaum ein Zuschauer jubelt bei einem Torerfolg nicht, weil er die Überprüfung des Video-Assistenten abwartet. Nun signalisiert der Schiedsrichter, dass der Treffer überprüft wird, beispielsweise auf eine mögliche Abseitsposition. Was ich dann oft erlebe ist, dass nach der Bestätigung, dass das Tor korrekt war, ein zweiter Torjubel ausbricht.
Anderes Beispiel: Im Rücken des Schiedsrichters findet eine Tätlichkeit statt, der Schiedsrichter konnte diese nicht sehen. Nach dem Eingriff des Video-Assistenten und dem anschließenden Review gibt der Schiedsrichtereine Rote Karte. Auch in einem solchen Fall habe ich einen riesigen Jubel erlebt, da eine grobe Unsportlichkeit entsprechend geahndet wurde und eine gerechte Entscheidung getroffen wurde. Das der Video-Assistent Emotionen klaut, stimmt meiner Erfahrung nach also nicht, im Gegenteil. Aber Emotionen können manchmal nicht nur postiv sein. So ärgert man sich als Fan verständlicherweise, wen ein Tor nachträglich aberkannt wird. Aber auch das sind Emotionen.

HL-SPORTS: Die Entwicklung dauert an. Was denkst du, wo diese Reise mit dem Videobeweis hingeht?

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Robert Schröder: Zunächst ist die Entwicklung aus meiner Sicht äußerst positiv zu sehen. Wo am Anfang noch viele technische Probleme waren, ist nun die Technik sehr gut. Wir haben bei Abseitsentscheidungen die kalibrierte Abseitslinie, zudem ist durch ein neues Funksystem ein weiterer technische Fortschritt eingetreten, der auch eine reibungslose Kommunikation ermöglicht. Auch in Sachen Transparenz wird und wurden große Fortschritte gemacht.
Natürlich ist es ein noch immer junges Projekt und es wird überall an weiteren Verbesserungen gearbeitet.

Job beim DFB

HL-SPORTS: Du bist nicht nur Schiedsrichter, sondern auch beim DFB angestellt. Was tust du dort genau?

Robert Schröder: Ich arbeite als Projektmanager bei der DFB GmbH am Standort Hannover. Vorwiegend bin ich für der Konzeption von Softwaremodulen im sogenannten DFBnet zuständig. Das DFBnet ist das Fußballmanagementsystem, welches zur Organisation und Abwicklung des Spielbetriebes in ganz Deutschland eingesetzt wird.

Austausch mit Ehefrau Sina Kühn

HL-SPORTS: Und damit noch nicht genug, denn zuhause ist das Thema Fußball allgegenwärtig. Sina Kühn ist deine Ehefrau und sie ist Schiedsrichterin – auch in der Bundesliga, allerdings bei den Frauen. Wer tanzt zuhause nach wessen Pfeife?

Robert Schröder: Da gibt es unterschiedliche Auffassungen zu. Ich fürchte da bräuchte man die Hilfe des Video-Assistenten, um das final zu entscheiden…

HL-SPORTS: Spaß beiseite. Besprecht ihr brenzlige Situationen noch einmal, die einer von euch beiden hatte und wie lange dauern solche Analysen?

Robert Schröder: Klar, wir besprechen durchaus viele Szenen und tauschen uns dazu aus. Es ist schön, wenn man Spiele aus einer gemeinsamen Perspektive schaut. Wir analysieren zuhaue allerdings keine gesamten Spiele, daher ist die Dauer, bei der wir uns über Fußball unterhalten, nicht allumfassend.

HL-SPORTS: Schiedsrichter haben es nicht einfach. Wie hatten eben schon kurz das Thema „Ton auf dem Feld“. Bedrohungen wird es dort sicherlich seltener geben, aber du hast dich hochgearbeitet und musstest, wie jeder andere auch, in unteren Klassen pfeifen. Was war das schlimmste Erlebenis dort für dich?

Robert Schröder: Ich hatte zum Glück in meiner Laufbahn keine schwerwiegenden Fälle. Das „schlimmste“ war mal eine heftige Beleidigung. Natürlich hört man zuletzt mehr von heftigeren Fällen, die alle schlimm sind. Aber ich bin mir sicher, dass der ganz überwiegende Anteil der Schiedsrichter in Deutschland auch wie ich positive Erfahrungen gemacht haben.

Tipps für den Nachwuchs

HL-SPORTS: Was kannst du vor allem jüngeren Schiedsrichtern für solche Situationen mit auf den Weg geben?

Robert Schröder: Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass es solche Vorfälle nicht geben darf.
Dennoch würde ich jungen Schiedsrichtern raten, dass sie sich nicht entmutigen lassen sollen. Sie sollten jede Unterstützung und Solidarität erfahren und durch ihre Vertreter in den SR-Ausschüssen gestärkt und geschützt werden.
Zudem finde ich eine starke SR-Gemeinschaft sehr wichtig. Denn auch die Verbindung zu Kollegen außerhalb des Platzes finde ich sehr wichtig und kann jüngeren Schiedsrichtern sehr helfen.

HL-SPORTS: Was sind deine Ziele beim DFB und in der Schiedsrichterei?

Robert Schröder: Wenn man es so weit geschafft hat, ist natürlich das erste Ziel, dass man gesund und fit bleibt. Es ist wichtig, einen guten familiären Rückhalt zu haben, um das Erreichte halten zu können. Darüber hinaus möchte ich mich natürlich weiterentwickeln und zu einem etablierten Bundesligaschiedsrichter entwickeln. Auch in meinem Job beim DFB möchte ich viele Projekte im Sinne des Fußballs entwickeln und nach vorn bringen. Dazu habe ich ein sehr starkes Team beim DFB, welches mir dabei sehr hilft.
Alles was dann noch in der Zukunft dazu kommt, werden wir sehen…

HL-SPORTS: Dankeschön für das Interview und viel Erfolg im neuen Jahr.

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