Derby am Millerntor mit bunter Pracht, Pyro, Platzverweis und braun-weißem Jubel

FC St. Pauli besiegt den HSV deutlich mit 3:0

Das 108. Hamburger Stadtderby hatte viel Pyro zu bieten. Foto: Lobeca/Norbert Gettschat

Hamburg – Der neue Stadtmeister an der Elbe ist der FC St. Pauli. Am vergangenen Freitagabend gewannen die Braun-Weißen das Derby gegen den Hamburger SV vor 29.205 Zuschauern am heimischen Millerntor mit 3:0 (0:0). In der 2. Bundesliga war es der fünfte Erfolg gegen den Rivalen im neunten Duell. Schonlau sah wegen einer Notbremse die Rote Karte. Im Vorweg der Begegnung kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der Kiezkicker und der Polizei.

Sebastian Schonlau verläßt nach seiner Notbremse das Feld. Foto: Lobeca/Norbert Gettschat

Vor dem Spiel: Ausschreitungen und Verletzte

Rund zwei Stunden vor dem Anpfiff versuchten St. Pauli-Fans den HSV-Fanmarsch anzugreifen. Die Polizei stoppte das Vorhaben mit einem massiven Einsatz. Insgesamt gab es am Abend 47 Festnahmen und fünf verletzte Beamte (HL-SPORTS berichtete).

Die 1. Halbzeit: Rote Karte Knackpunkt

Mit der ersten Ecke der Partie gab es zugleich das Statement der Hausherren, wer dieses Derby gewinnen wollte. St. Pauli-Kapitän Irvine (1.) köpfte knapp über das Gehäuse. Da waren gerade einmal 55 Sekunden absolviert. Für die erste Rothosen-Chance war Reis (10.) verantwortlich, doch Vasilj parierte seinen Schuss. Fünf Minuten später vereitelte Heuer Fernandes gegen Amenyido eine Mega-Möglichkeit der Braun-Weißen. Und dann lag der Ball auf einmal im Netz der Gastgeber. Jatta (17.) war durch, doch Schiedsrichter Deniz Aytekin unterbrach die Situation zuvor wegen einer Behandlungspause von Sailkas. Bei einem Benes-Freistoß verlängerte Jatta, doch Glatzel “beraubte“ den einschussbereiten Heyer und den HSV um die Führung. Die Schlüsselszene der Begegnung verbuchte Gäste-Kapitän Sebastian Schonlau (28.), der Amenyido als letzter Mann einen Schubser gibt. Kein Zweifel: Rote Karte für ihn. Die Kiezkicker konnten mit der Überzahl zunächst nichts anfangen, wurden vom Tabellenführer stark in die Defensive gedrängt. Die Paulianer hatten kurz vor dem Seitenwechsel dafür die größte Chance des ersten Durchgangs, denn eine Paqarada-Flanke setzte Matanovic an den Pfosten.

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FC St. Pauli bejubelt das 1:0 von Eric Smith. Foto: Lobeca/Andreas Hannig

Nach der Pause: Starker FCSP mit Derby-Gala

Beim FC St. Pauli muss Trainer Timo Schultz die richtigen Worte gefunden haben, denn das Team vom Millerntor übernahm sofort das Kommando. Meffert rettete knapp vor Matanovic (51.). Weitere Chancen für die Gastgeber: Medic per Kopfball (53.), Paqarada (54.) schoss am langen Pfosten vorbei und noch einmal der 28-Jährige in der 58. Minute ans Außennetz. Dazwischen wurde Königsdörffer von Medic (56.) im Strafraum zu Fall gebracht, doch Aytekin ließ weiterspielen. Dem ersten Treffer des Abends ging ein Ballverlust von Jatta voraus. Der St. Pauli-Angriff und Schuss von Paqarada wurde zur Ecke abgefälscht. Die fiel auf den Kopf von Eric Smith (61.) und von dort aus ins Tor zum 1:0 für die Kiezkicker. Heyer sah dabei nicht gut aus, ließ den Torschützen jede Menge Entfaltungsmöglichkeiten. HSV-Coach Tim Walter reagierte, brachte Dompe für den glanzlosen Benes (65.) und wollte das eingeschlafene Offensivspiel beleben. Stattdessen wurde es in der 70. Minute hitzig. Amenyido wurde hart von Heyer getackelt, blieb liegen und wurde behandelt. Daraufhin kam es vor den Trainerbänken zu einer Rudelbildung, bei der sogar die beiden Torhüter aufeinander losgingen. Aytekin zeigte beiden gelb. Reis (72.) setzte zum Solo an, wurde erst vom sechsten Gegenspieler gestoppt. Eine Chance gab es nicht dadurch. Dafür nutzten die „Boys in Brown“ ihre nächste. Marcel Hartel (74.) machte das 2:0. Irvine passte in den Strafraum, wo Matanovic verpasst und der ehemalige U21-Nationalspieler ins linke Eck einschob. Damit war schon fast klar, wer einen großen Schritt Richtung Derbysieg vollzog. Kittel kam beim HSV für Königsdörffer (75.), doch das brachte nichts mehr für die Gäste. Bei ihnen klappte nichts mehr nach vorne, wie im gesamten zweiten Durchgang. Dafür machte Joker David Otto (89.) mit dem 3:0 und seinem Debüt-Tor den Deckel drauf – per Kopfball sorgte er für den Schlusspunkt der Partie.

Die beiden Torwarte bei der Rudelbildung: Daniel Heuer Fernandes (Hamburger SV) und Nikola Vasilj (FC St. Pauli) gehen aufeinander los. Foto: Lobeca/Andreas Hannig

Das Fazit: Die „Schulle“-Strategie ging voll auf

Das war eine gute Vorstellung des FC St. Pauli, der vor allem in der zweiten Hälfte die Rothosen mit einem Mann mehr müde laufen ließ. Leat Paqarada, Eric Smith, Jackson Irvine und Jakov Medic stachen bei den Braun-Weißen heraus, waren immer einen Schritt schneller als ihre Gegenspieler. Igor Matanovic arbeitete viel, wurde dafür allerdings nicht belohnt. Zudem waren sie und ihre Mannschaftskameraden williger und hatten in den entscheidenden Szenen das Glück auf ihrer Seite. Schlüsselszene war natürlich der Platzverweis für HSV-Kapitän Sebastian Schonlau, der völlig zurecht vorzeitig zum Duschen musste. Dass Walter mit einer Dreierkette weiterspielen ließ, fiel ihm letztlich auf die Füße, denn bei den Gegentoren sah die sonst so hochgelobte Defensive alles andere als gut aus. Beim 1:0 für St. Pauli pennte Moritz Heyer und zuvor Bakery Jatta mit dem Ballverlust. Beim 0:2 standen zwei Gegenspieler am Fünfmeterraum völlig frei und das 0:3 war dann die Höchststrafe für passive und einfallslose Rothosen und ihren Coach. Für ihn war es übrigens die höchste Niederlage in seiner Volkspark-Laufbahn. Verdienter Sieg für mutige Hausherren vom Millerntor, bei denen Trainer Schultz seinen Kollegen mit einer Umschalt-Strategie von Fünfer- auf Dreierkette überrumpelte.  

Ludovit Reis (HSV) wird von St. Paulis Afeez Aremu gestoppt. Foto: Lobeca/Norbert Gettschat

Die Stimmen nach der Partie

Tim Walter (Hamburg): „Wenn man ein Derby verliert, ist man sehr enttäuscht. Das Spiel war von Anfang an rassig mit vielen Zweikämpfen. Die entscheidende Szene für mich war natürlich die Rote Karte, die kann man so geben. Auch mit zehn Mann haben wir das Spiel eigentlich im Griff. Wir haben mehr Kontrolle und mehr Ballbesitz. Wir haben versucht unser Spiel durchzuziehen, dafür stehen wir auch. St. Pauli ist dann mit einem Kopfball in Führung gegangen, das darf uns so nicht passieren. Wir laufen dann noch in einen Konter, weil wir weiter probiert haben, ein Tor zu erzielen. Die Jungs haben alles reingeworfen, letztendlich kriegst du dann noch das dritte Tor.“

Timo Schultz (St. Pauli): „Für uns sicherlich ein verdienter Sieg. Ich denke, dass der Platzverweis für Schonlau großen Einfluss aufs Spiel genommen hat. Bis dahin waren wir sehr gut im Spiel und hatten schon ein, zwei gute Chancen. Dann ist uns das Herz ein bisschen in die Hose gerutscht, der HSV hatte in Unterzahl trotzdem noch Ballkontrolle. Nimmt man die kompletten 90 Minuten, haben wir auch aufgrund der Überzahl das Spiel verdient gewonnen. Ein Riesen-Lob an meine Jungs. Sie hatten nur drei Tage Zeit, um das mit der Dreier- und Fünferkette bestmöglich einzustudieren. Der HSV hat eine eigene Spiel-Strategie und wenn man sich ihre Spiele anschaut und wie sie da aufgetreten sind, dann ging es für uns heute darum, die Tiefe auf den Flügeln zu sichern. Mit einem zusätzlichen Spieler in der letzten Kette wollten wir das auffangen. Die Jungs hatten nach den Trainingseinheiten ein gutes Gefühl und haben das heute richtig gut umgesetzt. Dass es so gut klappt, damit habe ich ehrlich gesagt nicht unbedingt gerechnet. Es war eine richtig gute Leistung meiner Mannschaft. So wie wir uns heute in die Bälle reingeworfen haben und wie wir nach vorne verteidigt haben, war richtig gut und der Schlüssel zum Sieg.“

Der 12. Spieltag (14. – 16.10.)

Fürth – Rostock 2:2
St. Pauli – Hamburg 3:0
Düsseldorf – Nürnberg (Sa., 13 Uhr)
Karlsruhe – Darmstadt
Magdeburg – Braunschweig
Hannover – Bielefeld (20.30 Uhr)
Paderborn – Sandhausen (So., 13.30 Uhr)
Kiel – Heidenheim
Kaiserslautern – Regensburg

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