Die Deutschen sind weg… aber die WM ist noch nicht vorbei

WM-Kolumne „Mein Ka-Tag“ von Wolfgang Stephan

„Fliegst Du mit der Mannschaft zurück oder musst Du noch bleiben?“, fragt mein Freund Günther aus Marbella noch in der Nacht nach dem Debakel. Nein, ich bin noch hier, die Mannschaft ist weg, entrückt. Die mit hohen Ambitionen nach Katar gestarteten Deutschen sind nach vogelwilden Turbulenzen auf dem Rasen wie ein trudelnder Satellit irgendwo im Strudel der geplatzten Träume am Persischen Golf untergegangen.

Es war bezeichnend für den Auftritt des DFB, dass sie nicht einmal die Chuzpe hatten, am Tag nach dem Ausscheiden sich den Fragen der Medien zu stellen. Am Airport gab DFB-Präsident Bernd Neuendorf am Mittag vor dem Abflug ein Statement ab. Geschenkt. Hingefahren wäre ich nur, wenn er Rücktritte verkündet hätte. Aber das war bei den weichgespülten DFB-Schönrednern nicht zu erwarten. Er werde eine Krisensitzung einberufen. Na schön. Jede Sitzung beim DFB ist eine Krisensitzung.

Nichts, aber auch gar nichts ist diesem DFB in Katar gelungen. Weder dem Bundestrainer, der unter anderem in drei Spielen vier Außenverteidiger ausprobierte, noch der Führung um Bernd Neuendorf und Oliver Bierhoff, die es nicht geschafft haben, wenigstens außerhalb des Spielfeldes Zeichen zu setzen. Ihr Krisen-Management bei der One-Love-Binde war unterirdisch, ihr Kniefall vor der Fifa bezeichnend.

Oh ja, sie haben der Fifa dann die Stirn gezeigt, sind zur Pressekonferenz vor dem Spanien-Spiel nicht mit dem vorgeschriebenen Spieler erschienen. Wow. Der DFB begehrte auf, eine weite einstündige Anreise in einem klimatisierten Gefährt sei einem Spieler nicht zuzumuten. So ein Blödsinn.

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Das „Zulal Wellness Resort“ im entfernten Norden des Landes stand sinnbildlich für die Entrücktheit der deutschen Mannschaft, die in ihrer eigenen Blase lebte und in der die Spielerfrauen mehrmals nächtigen durften. Die andere Hälfte der Mannschaft ging alleine ins Bett. Mit Ohrstöpsel. Dass zum Costa Rica-Spiel dann eine weite Anreise kein Problem war und Lukas Klostermann mit Flick auftreten musste, war so inkonsequent wie die Nominierung von Thomas Müller in drei WMSpielen.

Jetzt sind sie weg, morgen können sie am 2. Advent die Kerzen anzünden, nachdem sie in Katar das Licht des deutschen Fußballs gelöscht haben. Und am Montag in Urlaub fahren.

Ach ja, Günther, deine Frage: Ich muss nicht hierbleiben, ich will hierbleiben.

Eine Fußball-WM ist nicht vorbei, wenn die Deutschen ausgeschieden sind.

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