
Sieben Jahre keine Bundesliga – das macht sich auch im Volkspark bemerkbar. Nur zwei Siege aus elf Spielen, dazu drei Unentschieden als Aufsteiger. Normal? Das kann man so sagen. Wer mehr erhofft hat, dürfte die vergangenen sieben Jahre keine Bundesliga beobachtet haben. Der Hamburger SV steht nicht schlecht da, allerdings auch nicht gut. Nach dem ersten Saisondrittel zog der Verein bereits eine kleine Bilanz, spricht von vielen positiven Dingen – auch davon, dass Sandro Wagner als Trainer des FC Augsburg den Gegner lobte. Nur: Für Lob gibt es keine Punkte – und die benötigt man an der Elbe, denn sonst wird es schwer in den anderen beiden Dritteln. Insbesondere, weil bis zum Jahresende keine Laufkundschaft mehr vorbeischneit. Immerhin steht man mit Platz 14 vor dem Stadtrivalen FC St. Pauli, der seit dem Derby nur ein Spiel gewann.
Ein sportlicher Rückblick
Fasst man die Ergebnisse sachlich zusammen, durfte man sich beim Auftakt in Mönchengladbach über das torlose Unentschieden eher ärgern – da war mehr drin. Gegen die Kiezkicker hatte man Glück, nur 0:2 zu verlieren. Die 0:5-Niederlage bei den Bayern war einkalkuliert. Der Heimsieg gegen Heidenheim sorgte für den ersten wichtigen Dreier. Keine Tore beim Spiel in Berlin – verschmerzbar, vor allem wegen zwei Platzverweisen. 4:0 gegen Mainz – super! Das 1:2 in Leipzig war knapp und mit Pech behaftet. Mit Unvermögen wiederum dürfte man die 0:1-Niederlage zuhause gegen Wolfsburg betiteln. 1:4 in Köln? Das war zu hoch, aber verdient. Ein Punkt gegen Dortmund (1:1) – wieder ein Lichtblick. Und die 0:1-Schlappe zuletzt beim FCA hätte vermeidbar sein müssen.
Was ist das Problem?
Der HSV hat in der Regel zwei Herausforderungen – in der Offensive und in der taktischen Ausrichtung. Der Knackpunkt ist Ransford Königsdörffer. Der Stürmer ist überall und nirgends, selten erfolgreich. In elf Einsätzen kam er bisher auf 777 Minuten. Sein Ausgleich gegen den BVB gelang – und zwar in der 97. Minute. Es war die bislang einzige Begegnung, in der „Ransi“ nicht in der Startelf stand und als Joker knipste. Ein Retter, der momentan keiner ist. Der 24-Jährige ist wichtig für Pressing und Geschwindigkeit, nur im Abschluss hapert es. Der verschossene Elfmeter gegen den VfL Wolfsburg kann passieren, darf aber eigentlich nicht.
Die Fans sind nicht erst seit gestern ungeduldig – weil sie wissen, dass ein Strafraum-Goalgetter derzeit auf der Bank versauert. Allerdings ist Königsdörffer nicht der einzige Grund für neun Punkte auf der Habenseite. Die Offensive besteht nicht nur aus ihm. Und neun Tore sind einfach zu wenig. Nur St. Pauli (ebenfalls 9) und der 1. FC Heidenheim (8) sind ähnlich schwach. Der gebürtige Berliner ist nicht der „Alleinschuldige“, wenn es überhaupt einen gibt.
Ist es das System?
Vielleicht. Mit 17 Gegentoren kann man leben, insbesondere wenn man die fünf aus München ausklammert. Dann liegt der HSV bei zwölf Gegentreffern in elf Partien – stabil für einen Aufsteiger. Viele Konkurrenten stehen schlechter da.
Defensive okay, Offensive „ausbaufähig“? Ja. Und das könnte etwas mit dem System zu tun haben. Drei Stürmer scheinen es nicht zu bringen. Zu viel bleibt liegen, obwohl der HSV selten krass unterlegen ist.
Warum nicht Robert Glatzel als Strafraumspieler nutzen und Königsdörffer auf dem Flügel – im Wechsel mit Jean-Luc Dompe oder Rayan Philippe – als Läufer und Pressingarbeiter? Glatzel als Abstauber, als Abwehrbinder? Warum will Merlin Polzin das nicht? Die Spatzen pfeifen es seit Wochen. Nur: Plan A hat schon unter Tim Walter nicht funktioniert. Und als „Unantastbarer“ ist der 35-Jährige nicht anzusehen.
Wenn das Rezept nicht aufgeht, muss eine andere Zutat in den Topf. Ein Zehner hinter den Spitzen wäre ebenfalls eine Idee – jemand, der auch auf der Acht funktionieren kann. Das Stuttgart-Heimspiel wird ein Brocken. Aber im DFB-Pokal gegen Holstein Kiel – zuhause – muss es ein Weiterkommen geben. Der Druck ist jetzt schon groß. So ist das als Bundesligist.
183 Minuten Poulsen
Doch es gibt auch Lichtblicke. Einer davon ist vor allem Luka Vuskovic. Unfassbar eigentlich, dass ein 18-Jähriger der beste Mann auf dem Platz ist – und das auch noch als Leihspieler. Wie müssen sich die anderen dabei fühlen? Daniel Heuer Fernandes ist ebenfalls ein sicherer Rückhalt – er ist klar die Nummer 1.
Die zweite Enttäuschung ist Yussuf Poulsen. Der 31-jährige Däne fiel vor allem durch Kurzeinsätze auf – und drei Gelben Karten in sechs Spielen. 16, 34, 0, 0, 0, –, 14, 26, 31, 62, –: Das sind keine Lottozahlen, sondern die 183 Spielminuten, die der Angreifer seit seiner Verpflichtung von RB Leipzig im Sommer absolvierte. Aktuell ist er verletzt. Rückkehr vielleicht im Dezember – aber nicht vor dem Pokalspiel.
Kommt Davie Selke im Winter deswegen zurück? Möglich, aber schwer vorstellbar. Dann wäre Glatzel wohl weg, denn der brennt auf Einsatzzeiten und schoss die Rothosen als Einwechselspieler ins Pokal-Achetelfinale.
Hauptsache vor dem FC St. Pauli
Noch ist nichts verloren. Doch so positiv, wie es manche Fans darstellen, ist es im Volksparkstadion nicht. Es ist allerdings auch nicht alles eine Katastrophe. Es ist normal – solange man über dem Strich und vor dem „Stadtmeister“ in Braun-Weiß steht. Fakt ist: Die Bundesliga ist nicht die 2. Bundesliga. Das wissen alle…
Bildquellen
- Königsdörffer: Lobeca/Norbert Gettschat
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