Marathon beim VfB Lübeck: Mitglieder laufen in eine Richtung – Kapitalgesellschaft muss kommen

Vorstand bekommt Auftrag zur Vorbereitung – Detlef Meyer-Stender neuer Aufsichtsrat

Abstimmung beim VfB Lübeck. Viel Zustimmung für Grün-Weiß. Foto: LOBECA

Lübeck – Nach der 2:7-Klatsche bei der SV Drochtersen/Assel und der langen Heimfahrt an die Lohmühle am Freitagabend, saßen die Spieler des VfB Lübeck schon am nächsten Vormittag im “JUNIPER“ und verfolgten zum Teil die Jahreshauptversammlung ihres Arbeitgebers. Zusammen mit ihnen waren rund 200 Mitglieder anwesend.

Totgesagte mit Vision

Zwei Dinge waren zu entscheiden: Ein neuer Aufsichtsrat sollte gewählt werden und ein Antrag zu einer möglichen Ausgliederung der Lizenzmannschaft in eine Kapitalgesellschaft stand auf der Agenda. Und es wurde lang. Insgesamt fünfeinhalb Stunden dauerte der Tag für die Grün-Weißen im offiziellen Teil – eine Marathon-Sitzung. Als Fazit kann man sagen, dass der vor fast einem Jahr schon totgesagte Verein in sich geschlossen auftrat und eine Vision hat.

Tobias Redlich hat in über sechs Monaten schon eine Menge als Breitensportvorstand bewegt. Foto: LOBECA

Neuer Vorstand kommt gut an

Insbesondere der neue Breitensportvorstand Tobias Redlich bekam eine Menge Lob für seine Arbeit. Der Ehrenamtler ist seit März dabei und zeigte auf, was er in dieser Zeit alles bereits auf den Weg brachte. Die vermutlich rührigste Geschichte war die Info, dass die Damengymnastik-Gruppe keine geeignete Sporthalle hat und sich nun in einer Physiotherapiepraxis einmieten möchte. Die ist allerdings teurer als eine Sporthalle. Redlich gab bekannt: „Wir haben einen Sponsor für die Kosten gefunden.“ Die Freude war bei der anwesenden Birgit Mengele, als Abteilungsvertreterin, groß.

Bowling in grün-weiß: Viola Schmidt bei ihrer ersten Mitgliederversammlung des VfB Lübeck. Foto: LOBECA

Expansion geplant

Weitere Lorbeeren erntete der 36-Jährige zudem von allen anderen Abteilungen: Tischtennis mit Zuwachs. Stolz bei den Handballern mit neuen Teams und Warteliste, weil keine Halle zur Verfügung steht. Die neue Bowling-Crew und die Fußballerinnen und Fußballer des Breitensports sowie die Nachwuchskicker – alle zeigten auf, dass sich seit dem Finanzcrash rund um die Lohmühle etwas bewegt. Redlich wurde bescheinigt, dass er sich um viele Dinge kümmert. Allerdings wurde auch seinen Vorstandskollegen gute Arbeit bescheinigt. Redlich erklärte, dass man gerade prüft, weitere Sportarten im VfB Lübeck aufzunehmen. Der Verein wächst also in vielen Bereichen, trotz der angespannten vergangenen Monate.

Inka Köhler sprach für die Handball-Abteilung des VfB Lübeck. Foto: LOBECA

Rückblick und Vorausschau

Über die sprach vor allem Vorstandsvorsitzender Dr. Dieter Gudel in seinem Bericht. Er machte klar, dass man immer noch im ruhigen Fahrwasser schwimmt und es weiterhin ein harter Kampf sei, den Club und das Aushängeschild – die Regionalliga-Fußballer – auf gesunde Beine zu stellen. Er – sowie Redlich und Sportvorstand Sebastian Harms – nahmen sich viel Zeit für ihre Vorträge. Etwa zwei Stunden gab es Rück- und Ausblicke.

Sportvorstand Sebastian Harms hat keinen leichten Job, berichtete unter Beifall wie es lief und was man plant. Foto: LOBECA

111 Jahre VfB Lübeck

Dabei wurde die Vergangenheit von allen stark beleuchtet, doch was interessanter gewesen ist, war die Zukunft: Gudel sprach vom Jahr 2030. „Wenn ich richtig gerechnet habe, feiert unser Verein dann sein 111. Jubiläum. Wo ist der VfB Lübeck dann?“, stand an der Leinwand. Der 49-Jährige kommentierte und sprach vom Traum 2. Bundesliga. Verrückt vielleicht, doch ohne Vision und Ziel müsste man in der „toten“ Regionalliga oder auch in der 3. Liga bleiben. „Wir haben ein eigenes Stadion mit Infrastruktur, wir haben eine Identität und Tradition“, meinte er und machte dabei klar, dass der Standort auch ein Handelskreuz zwischen Ost und West sowie Nord und Süd sei. Das potente Umland will man für sich gewinnen und Menschen für den VfB begeistern. Dabei brachte er die Städte Ulm (130.00 Einwohner), Elversberg (7.500), Heidenheim (51.000), Kiel (253.000) und Magdeburg (245.000) zur Sprache. „Was haben die, was wir nicht auch haben?“

Dr. Dieter Gudel nahm die Mitglieder auf seinen Weg bis 2030 mit. Foto: LOBECA

„Wir müssen Geld verdienen“

Die meisten der Anwesenden gaben sich selbst die Antwort: Geld! Das hat man auf der Lohmühle derzeit nicht. „Wir müssen Geld verdienen“, war Gudels Motto. Und darum warb er und alle anderen Personen in den Gremien der Grün-Weißen für eine Ausgliederung der Lizenzspielermannschaft in eine Kapitalgesellschaft. Und das muss vermutlich auch so sein, denn Club-Steuerberater und Aufsichtsrat Dennis Tensfeld erklärte ganz klar: „Wir haben eine letzte Aufforderung des Finanzamtes erhalten.“ Schon in den Jahren zuvor drängte die Behörde darauf, doch nun kommt man nicht mehr drumherum.

Antrag angenommen

Detlef Meyer-Stender stellte den Antrag dazu als Mitglied. Viele VfBer lernten den Juristen bereits im vergangenen Sommer sehr genau kennen, denn er gehörte zur Finanzkommission, die das Millionenloch aufarbeitete. Er war Vizepräsident des Rechnungshofes der Hansestadt Bremen, kennt sich also mit der Vorgabe unter wenig finanziellen Möglichkeiten zu arbeiten aus. Kurz davor wurde er als neuer Aufsichtsrat gewählt. Er sprach vor allem eine Bitte aus: Der Verein – und damit die Mitglieder – möge die Zügel bei einer Kapitalgesellschaft weiter selbst in der Hand haben. Der Antrag wurde von der Mitgliederschaft befürwortet.

Detlef Meyer-Stender ist frisch gewählter Aufsichtsrat beim VfB Lübeck. Foto: LOBECA

Nicht viel Zeit für Ausgliederung

Nun gibt es Arbeit für den Vorstand, denn schon zum 1. Juli des kommenden Jahres soll es soweit sein. Bis dahin muss das eine Außerordentliche Mitgliederversammlung absegnen. Darum gab Team Gudel das Versprechen ab, in Informationsveranstaltungen die Mitglieder mitzunehmen. Und natürlich wurde daraufhin diskutiert. Ein nicht anwesendes Mitglied stellte kurz vor Sonnabend einen Antrag daraufhin, dass der Vorstand dazu verpflichtet werden soll. Diese halbe Stunde war der einzige Zeitraum der gesamten Jahreshauptversammlung, in der es unruhig wurde. Der Antrag wurde nicht fristgerecht eingereicht und darum stellte ein anderes Mitglied direkt im Saal einen Dringlichkeitsantrag dazu. Dieser bekam nicht die nötige Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder.

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Erste Ergebnisse

Es geht also los und der Vorstand hat jetzt eine Menge Hausaufgaben zu erledigen. Aufsichtsratschef Carsten Abbe äußerte den Wunsch, schon in vier Wochen erste Erkenntnisse an die Mitglieder weiterzugeben. Gudel unterstützte da, hat also anscheinend schon einen Plan.

Genossenschaft?

Wie der aussieht, verriet er allerdings gegenüber HL-SPORTS noch nicht. Eine Genossenschaft wie beim FC St. Pauli vielleicht? Gudel: „Ein Mitglied hat von einer Publikumsgesellschaft gesprochen. Ein anderes, dass 100 Prozent einer Kapitalgesellschaft innerhalb des Vereins verbleiben sollen. Wir sind noch gar nicht in diesem Stadium, weil wir uns heute den Arbeitsauftrag abgeholt und kein Konzept in der Schublade haben. Auf der anderen Seite ist es unser Ziel, sowohl den Profifußball als auch den gesamten VfB unabhängiger von Risiken zu gestalten.“

Der Aufsichtsrat des VfB Lübeck. Foto: LOBECA

Existenz soll auf Dauer gesichert werden

Meyer-Stender erklärte seinen Antrag bei HL-SPORTS: „Ich möchte mit diesem Antrag erreichen, dass die Existenz dieses Vereins auf Dauer gesichert wird. Dieser Verein hat eine große Tradition, in dem so viele Dinge verankert sind, dass man sie unbedingt festhalten sollte. Es gibt eine Reihe von vielen Risiken, das wäre das Infragestellen der Gemeinnützigkeit. Jetzt muss man handeln. In der bisherigen Struktur ist das nicht möglich.“ Für den Wirtschaftsbereich Profifußball müsse man klare Verhältnisse schaffen, um den Verein zu erhalten.

Kein Investoren-Modell

Allen lag fern, sich an einen Investor zu verkaufen. Gudel will das nicht, dafür aber, dass Lübeck grün-weiß ist und bleibt und noch grün-weißer wird. Ihm schwebt vor, dass sich „jede Lübeckerin und jeder Lübecker“ einen Teil des Vereins sichern soll. Aufsichtsrat, Vorstand und ein Großteil der Mitglieder haben verstanden. Keine Gemeinnützigkeit, kein Spielbetrieb! Warum? Weil eine Mannschaft in einem Verein organisiert sein muss, die eine Gemeinnützigkeit hat. Ist diese weg, ist auch die Teilnahme an Verbandswettbewerben weg. Das würde nicht nur die Fußballer treffen, sondern auch die Handball- und Tischtennis-Abteilung. Spenden dürfte der Verein dann auch nicht mehr entgegennehmen sowie Förderungen von Stiftungen. Außerdem wäre die steuerliche Behandlung eine ganz andere – und ehrenamtliche Mitarbeiter müssten Mindestlohn erhalten.

Wie schneiden FC St. Pauli, Holstein Kiel und der Hamburger SV in der kommenden Runde des DFB-Pokal ab?

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Bildquellen

  • Meyer-Stender: LOBECA
  • Karten: LOBECA
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