Mehr als nur ein Gerücht beim VfB Lübeck? Fliegt der Sportdirektor?

Rocco Leeser (Sportdirektor VfB Lübeck). Foto: Lobeca/Marcus Kaben

Lübeck – Die Lohmühle ist derzeit ein heißes Pflaster. Keine Punkte aus den vergangenen drei Spielen und die Rote Laterne der 3. Liga immer fester in der Hand. Eine vermutlich überzogene Suspendierung eines Spielers, der für die Mannschaft sprach und womöglich nur einen „Hilferuf“ absenden wollte, ist nur ein Teil der jüngsten grün-weißen Geschichte. Der Zeitpunkt war vielleicht verkehrt, doch wann wäre der richtige gewesen? Florian Riedel wurde zu einem weiteren Bauernopfer, nach Patrick Hobsch (im Januar eine Zeitlang aussortiert) auserkoren, darf nun drei Spiele seiner Mannschaft, mit der er den langersehnten Traum des VfB Lübeck mitgestaltete, aussetzen. Jetzt droht alles zusammenzubrechen. Wer ist der Nächste der fliegt, wenn es nicht schnell wieder läuft?

Ist die Suspendierung von Florian Riedel eine zu harte Entscheidung?

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Team „rasiert“

Die Mannschaft wurde stellvertretend mit ihrem Vize-Kapitän „rasiert“. Wer traut sich noch etwas zu sagen und wie geht es weiter? Fragen über Fragen, doch eine Theorie liegt wahrscheinlich gar nicht so weit von der Autobahnabfahrt Lübeck-Zentrum entfernt. Irgendwie ist der Dreh- und Angelpunkt immer wieder die Position des Sportdirektors.

In Rekordzeit: von der Kreisklasse in die 3. Liga

Rocco Leeser ist seit Oktober 2017 auf der Lohmühle, stieg vom Techniktrainer in der Jugend zum Leiter der Nachwuchsabteilung und vor zwei Jahren zu genau diesem Sportdirektor auf. Im Umfeld des VfB wird ihm nachgesagt, dass er keine Erfahrungen aus dem Profifußball mitbringt. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Der 53-Jährige war vor seiner Laufbahn auf der Lohmühle zwei Jahre als Trainer und Sportlicher Leiter bei der Möllner SV. Früher war er Jugendtrainer beim niederländischen Zweitligisten RBC Roosendaal und auch beim FC St. Pauli gab er Technikunterricht.

Martin Harnik war mit Werder Bremen schon auf der Lohmühle – im DFB-Pokalspiel, im April 2018 gegen Patrick Thomsen von Weiche Flensburg. Foto: Lobeca/Ralf Homburg

Fauxpas zu Saisonbeginn und falsche Einkaufspolitik

Schon in der Vergangenheit geriet Leeser in die Kritik. Sein erster Fauxpas war das Harnik-Theater, der nie zustande kam, doch so schien. Martin Harnik wollte sich aus dem Bundesliga-Geschäft zurückziehen und spielt jetzt beim Hamburger Oberliga-Serienmeister TuS Dassendorf. Leesers Einkäufe, wie beispielsweise Martin Röser (Karlsruher SC), Ersin Zehir (FC St. Pauli) und Soufian Benyamina (zuletzt Pogon Stettin), nahmen zu oft auf der Bank Platz. Letzterer gehörte sogar die vergangenen vier Spielen nicht einmal mehr zum Kader. Ein Mann mit seiner Erfahrung in der 3. Liga hat es nicht geschafft in Lübeck fußzufassen, steht auf dem Abstellgleis? Fast undenkbar. Die Gerüchteküche besagt, dass Leeser auf den gebürtigen Berliner bestanden haben soll. Chefcoach Rolf Landerl wollte ihn angeblich nicht. Leeser setzte sich augenscheinlich durch. Dazu kommt Tim Kirchner, der über eine Leihe des Karlsruher SC zum FC Carl-Zeiss Jena in den Norden und in zwei Einsätzen auf 35 Minuten Spielzeit kam. Von Oktober bis Januar war er allerdings verletzt. Dennoch: Eine große Rolle spielte er bisher nicht.

Martin Röser, Sven Mende und Yannick Deichmann (VfB Lübeck). Foto: fishing4/M. Krause

Es ist inzwischen eine Qualitätsfrage

Da stellt sich auf jeden Fall die Frage nach der Effektivität bei den Grün-Weißen – und vor allem nach der Qualität, die entweder auf der Bank versauert oder nicht mehr vorhanden zu sein scheint. Ein Sportdirektor ist der Vorgesetzte des Trainers und sieht von außen Sachen, die das Trainerteam nicht sieht. Findet da ein effektiver Austausch statt? An den Ergebnissen merkt man das nicht. Der Zug, um nachzubessern, ist ebenso abgefahren und viel Geld liegt bei den Lübeckern auch nicht in der Schublade herum. Gehaltverzicht und Mini-Punktprämie locken nicht unbedingt. Das bestätigte schon Torhüter Lukas Raeder nach dem Spiel am vergangenen Wochenende. Aus dem Traum 3. Liga könnte sich also ein Albtraum entwickeln. Und jetzt noch die Meinungsverschiedenheit mit der Mannschaft, die offensichtlich vorhanden ist. Riedel sprach sicherlich im Namen der Mannschaft, die die Geldstrafe für ihren Kollegen bezahlt – jetzt ist er mundtot. Leesers eh schon schwache Stellung könnte ihn nun noch tiefer in der Ecke der Kabine stehen lassen.

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Vorstand und Aufsichtsrat in der Bredouille

Die Aussagen von Riedel mussten Konsequenzen nach sich ziehen, das ist nachzuvollziehen. Über die Härte diskutieren die Fans bereits und vermehrt über den Sportdirektor. Er warf offensichtlich den ersten Stein mit seiner Aussage in Dresden („unwürdig“) und damit hat er offenbar übertrieben. Vielleicht erkennt das die Vereinsspitze und handelt nochmal in diesen Tagen… Leeser wirkt oft so, als ob er von seinen eigenen Fehlern ablenken möchte, die Schuld bei anderen sucht. Selbstreflexion? Fehlanzeige. Das gilt aber nicht nur für ihn, denn auch Trainerteam und Vorstand müssten ihr Handeln überdenken.

Muss Leeser seinen Stuhl räumen?

Der Vorstand hat nun einen Weg eingeschlagen, die wie die Axt im Wald wirkt. Zulange hat man sich aus der sportlichen Misere herausgehalten. Analysiert man das Gesamtbild, ist nun vielleicht der Zeitpunkt gekommen Tabula rasa zu machen, will man den Klassenerhalt schaffen. Viel zulange spricht man im Umfeld davon, dass noch genügend Zeit ist, doch die Gegner werden nicht leichter und man steht am Abgrund. Ein weiterer Schubser Richtung Mannschaft und sie ist vielleicht völlig verunsichert. Für Donnerstag ist die Pressekonferenz vor dem Halle-Spiel angesetzt – völlig normal. Mit dabei Chefcoach Landerl, der erfahrene Mirko Boland und überraschend der Vorstandsvorsitzende Thomas Schikorra. Warum nicht der Sportdirektor? Ein mögliches Indiz dafür, dass der dann nicht mehr im Amt sein wird.

Erinnerungen an Schnoor-Abgang

Schon einmal gab es beim VfB Lübeck einen internen Machtkampf mit einem Sportdirektor: Stefan Schnoor verließ vor anderthalb Jahren die Grün-Weißen auf eigenen Wunsch. „Es traten trotz großer Deckungsgleichheit in den Beurteilungen teilweise unterschiedliche Auffassungen zur sportlichen Ausrichtung und zur sportlichen Kompetenzverteilung zu Tage, in deren Konsequenz Stefan Schnoor gebeten hat, ihn von seinen Aufgaben zu entbinden. Im Ergebnis hat der Vorstand diesem Wunsch unter Einbindung der Aufsichtsratsspitze entsprochen“, hieß es damals in der Pressemitteilung des Clubs. Leeser übernahm einen Monat später seine Aufgaben – als die offensichtlich günstige Option. Nun könnte auch seine Zeit vorbei sein, vielleicht sogar ebenfalls aus eigenen Motiven.

Sollte Rocco Leeser als Sportdirektor beim VfB Lübeck gehen?

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Ist Timo Neumann der Retter?

Sollte Leeser wirklich das Profi-Schiff an der Lohmühle verlassen stellt sich die Frage nach einer Nachfolge. Braucht man diese überhaupt? Der VfB Lübeck ist klamm und große Namen kann man sich nicht leisten. In der aktuellen Situation würde vermutlich nur eine weitere interne Interimslösung bleiben. Timo Neumann wäre der Mann, der die Strippen dann endlich offiziell ziehen könnte. Der 38-Jährige ist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender und in ihm fließt grün-weißes Blut. „Wuffti“, so Neumanns Spitzname, kennt den Verein in- und auswendig, durfte in der letzten Profisaison der Lübecker vor fast 20 Jahren eine Minute in der 2. Bundesliga spielen, kickte mit Ikone Daniel Bärwolf, Ferydoon Zandi und Maik Wilde unter dem damaligen Cheftrainer Dieter Hecking. Er war schon Marketingleiter und Co-Trainer bei Grün-Weiß. Bis auf ein Jahr bei Kickers Emden ist er durch und durch VfBer. Neumann eilte schon einmal dem Team zu Hilfe. Als das Trainerteam in Corona-Quarantäne musste, saß er in Kaiserslautern mit auf der Bank. Jetzt nochmal? Dann dürfte vorläufig Ruhe einkehren und die Mannschaft hätte nur noch eine Ausrede. Das wäre dann der Trainer… Schikorra warnte schon einmal in der Pause des Türkgücü-Spiels: „Wir sind hier immer ruhig geblieben, das bedeutet aber nicht, dass wir Dinge nicht hinterfragen. Wenn man eine Jobgarantie gibt in heutigen Zeiten gibt dann nur für Virologen und niemand anderes.“  

Thomas Schikorra (VfB Lübeck). Foto: rk

Köln-Heimspiel als „Break-even-Point“

Eines sollte klar sein: Stehen nach den drei Begegnungen der kommenden Woche in Halle (27.2.) und zuhause gegen Hansa Rostock (3.3.) und Konkurrent Viktoria Köln (6.3.) nicht mindestens ein paar Punkte (vier bis sechs) mehr auf dem Konto, wird man weitere Konsequenzen ziehen müssen oder langsam für die Regionalliga planen, um dort in der kommenden Saison ein Stadtderby gegen den 1. FC Phönix auszutragen.

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3 Kommentare

  1. Riedel sprach sicherlich im Namen der Mannschaft, die die Geldstrafe für ihren Kollegen bezahlt …

    Wenn das so stimmt, ist das ein ganz starkes Zeichen der Mannschaft. Respekt! Es ist an der Zeit, dass der Vorstand mal überlegt, wie er ohne Gesichtsverlust zurück rudern kann. Vielleicht „Begnadigung“ für Florian? Im Übrigen: Nachtreten ist immer unsportlich, auch gegenüber Rocco Leeser. Jetzt gilt es, die Saison konzentriert zu Ende zu spielen. Dabei hilft weitere Unruhe im Verein bestimmt nicht.

  2. Wenn man noch halbwegs seriös wirken will muss man den Schritt gehen und die überzogene Strafe zurück nehmen.
    Die Idee mit Neumann finde ich sehr gut, ja er hat keine Erfahrung, aber lebt für grün weiß

  3. Wer hat den Seher denn eingestellt, der Vorstand. Rocco raus aber zackig, ansonsten geht alles baden. Und Riedel sofort zurück. Die einzige Möglichkeit das Ding noch zu drehen.

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