„Scheiß Ausländer“, „Ölauge“ und „Geh zurück in dein Land“: Schnelle Entscheidung?

Skandal in der Aufstiegsrunde lässt Sportgericht nachsitzen

Der SV Azadi mit seinem Mannschaftskreis. Foto: Lobeca/Niklas Runne

Lübeck – Nach 45 Minuten plus Nachspielzeit war Schluss. Das zweite Spiel in der Aufstiegsrunde zur Landesliga zwischen VfR Horst und SV Azadi Lübeck wurde am vergangenen Mittwoch vorzeitig beendet. Auf neutralem Boden in Boostedt war für den Vertreter aus dem Süden kein weitermachen nach der Pause möglich. Der SVA sah sich Rassismus ausgesetzt. Rassismus, der von den Zuschauern gekommen sein soll (HL-SPORTS berichtete). Danach kochte es vor allem in den Sozialen Netzwerken hoch und es gab Giftpfeile in alle Richtungen.

Horst-Boss stellt Theorie in den Raum

Drei Tage später hat sich die Lage noch nicht beruhigt. Auf Horster Seite sieht man sich nicht in der Schuld, stellte sogar eine steile These auf. „Rein theoretisch könnten die Beleidigungen sogar von Azadi-Seite getätigt worden sein, um einen Abbruch und zumindest eine Neuansetzung oder sogar eine Spielwertung zu ihren Gunsten zu erreichen“, wurde Frank Karstens im “shz“ zitiert. Der Vereinsvorsitzende des VfR hat damit natürlich ein Fass aufgemacht, was seinen Gegenüber Firat Özden fassungslos machte.

„Das ist beschämend“

Der Präsident der Lübecker sagte dazu bei HL-SPORTS: „Das ist beschämend, so etwas von sich zu geben. Wir sind faire Sportsmänner und ich stehe zu 100 Prozent hinter der Entscheidung unserer Mannschaft. Der Schiedsrichter hat die Beleidigungen wahrgenommen und es muss nun Konsequenzen für den VfR Horst haben. Das Spiel muss für uns entschieden werden, um ein Zeichen zu setzen, sonst bewegen wir uns in unserer Gesellschaft in die absolut falsche Richtung. Ich bin hier geboren, habe hier studiert und bin seit 14 Jahren selbständig. Da muss ich mich nicht als Ausländer diffamieren lassen. Der VfR Horst ist inzwischen aber auch schon zurückgerudert und will den Vorfall intern aufarbeiten, wie er in einem Brief schrieb. Von daher kann es nur eine Entscheidung im Sinne der Menschlichkeit geben – und die ist gegen Rassismus und für den Sport.“

SHFV ermittelt

Das Thema ist sensibel und beschäftigt nun das Sportgericht des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbandes (SHFV). Pressesprecher Philipp Paarmann erklärte: „Es ist ein schwebendes Verfahren. Was ich dazu sagen kann ist, dass der Schiedsrichter der Partie etwas vernommen und Azadi das Spiel auf eigenen Wunsch in der Halbzeit abgebrochen hat.“

„So schnell wie möglich“

Das Sportgericht ist also nun am Zug, doch durch mögliche Stellungnahmen, Anhörungen, einer eventuellen mündlichen Verhandlung, einem Urteil und möglicher Revisionen sowie Fristen kann sich das im Normalfall einige Wochen hinziehen. Paarmann dazu: „Es sind alle bemüht, das so schnell wie möglich abzuhandeln. Zu dem Zeitrahmen kann ich keine Angaben machen. Die Entscheidung muss juristisch einwandfrei sein.“

Rote Karte wegen Tätlichkeit

Doch wie lief der Abend ab. Das Spiel war nicht unfair, hatte Biss, allerdings nur mit einer Gelben Karte für Horst und einer Roten Karte wegen Tätlichkeit für Azadi bereits nach zehn Minuten zu bieten. Tore fielen nicht und die Lübecker brauchten unbedingt einen Sieg, da sie die erste von drei Begegnungen in dieser Aufstiegsrunde verloren. Unter den 330 Zuschauern waren Fanlager beider Clubs.

„Geh zurück in dein Land“

Schiedsrichter Tim Jeschkeit hatte dabei eine Info von seinem Assistenten bekommen, dass etwas von den Zuschauerrängen kam, was nicht auf einen Sportplatz gehört. Was genau, das ist offiziell nicht bekannt, steht allerdings im Sonderbericht des Unparteiischen. Der SV Azadi gab knapp eine Dreiviertelstunde nach dem Abbruch eine Stellungnahme ab. Darin hieß es, dass „Scheiß Ausländer“, „Ölauge“ und „Geh zurück in dein Land“ gerufen wurde.

Schiri schickte Ordner

Jeschkeit sprach mit beiden Kapitänen, schickte Ordner zu der Fan-Gruppe, um für Ruhe zu sorgen, doch einen Aufruf durch die Lautsprecher auf dem Sportplatz in Boostedt durch den Stadionsprecher, der auf einen möglichen Rassismus-Vorfall und auf einen möglichen Abbruch hätte hinweisen können, gab es von dem 27-Jährigen nicht. Die Partie befand sich noch in “Eskalationsstufe 1“. Nach Informationen von HL-SPORTS soll er selbst über die Entscheidung des SV Azadi überrascht gewesen sein.

Horster Stellungnahme

Am Freitagabend veröffentlichte der VfR Horst eine bereits nach dem Spielabbruch angekündigte Stellungnahme zu dem Vorfall. Darin heißt es wie folgt:

Neben der aktuellen Stellungnahme, die heute an SHFV gesendet wurde, möchten wir uns mit einer weiteren Stellungnahme an die Öffentlichkeit wenden.

Mit großer Bestürzung mussten wir am Donnerstag, 12. Juni, auf der Instagram- und Facebook-Seite von „luebeck.tv“ & SV Azadi Lübeck (unmittelbar nach dem Abbruch des Spiels) lesen, dass tags zuvor beim Landesliga-Aufstiegsspiel zwischen dem VfR Horst und dem SV Azadi Lübeck „mehrfach Anhänger des VfR Horst aus dem Zuschauer-Bereich menschenverachtende und rassistische Parolen gerufen haben sollen“. Daraufhin hätten die Spieler des SV Azadi „geschlossen das Spielfeld verlassen“ und das Spiel sei „in der zweiten Halbzeit abgebrochen worden“. Wir finden es sehr bedauerlich, dass niemand von „luebeck.tv“ bei unserem Verein nachgefragt und um eine Stellungnahme gebeten hat, sondern dort stattdessen ungefiltert Informationen veröffentlicht worden sind, die nicht der Wahrheit entsprechen.

Deshalb möchten wir hiermit einige Dinge klarstellen!

Erstens: Das Spiel wurde nicht „in der zweiten Halbzeit abgebrochen“, sondern die Mannschaft des SV Azadi hat – sehr zu unsrem Bedauern, da wir die Partie gerne fortgesetzt hätten – in der Halbzeitpause in ihrer Kabine beschlossen, dass sie zur zweiten Halbzeit nicht mehr antreten wird. Darüber haben sie den Schiedsrichter informiert, der dann unseren Trainer Thorben Reibe in Kenntnis setzte, dass er die Partie abbrechen müsse, weil der Gegner eine Spielfortsetzung ablehnt. Die Entscheidung das Spiel nicht fortzuführen, wurde aus unserer Sicht maßgeblich durch die frühe rote Karte sowie des frühen Verletzungswechsel beeinflusst. Vor allem durch die anschließenden Kommentare, Scherze und das Gelächter einiger SV Azadi Spieler im Kabinen- und Duschtrakt wirkt das Ganze wie eine Farce.

Zweitens: Die Mannschaft des SV Azadi ist „nicht geschlossen vom Platz gegangen“, nachdem es „menschenverachtende Parolen gegeben haben soll“ – sondern sie ist ganz normal, wie auch unser Team, nach dem Pausenpfiff des Schiedsrichters in die Kabine gegangen. Zwischen den Mannschaften gab es keinerlei Probleme oder Dissonanzen. Auch, nachdem der Abbruch verkündet worden war – was nebenbei bemerkt bei Angehörigen beider Vereine für Verwunderung sorgte –, standen Beteiligte beider Clubs nebeneinander und unterhielten sich.

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Drittens, und das ist der wichtigste Punkt: Aus dem Bereich, aus dem unsere Anhänger das Spiel verfolgt haben, sind keinesfalls „menschenverachtende Parolen“ skandiert worden, wie von „luebeck.tv und dem SV Azadi“ behauptet. Nach zweitägiger Recherche und Befragung unserer mitgereisten Zuschauer, können wir sicherstellen, dass derartige Äußerungen nicht getätigt worden sind.

Sollten Spieler oder Schiedsrichterassistenten rassistische Äußerungen gehört haben, können diese nur durch einen neutralen Zuschauer und nicht durch einen Anhänger des VfR Horst gefallen sein, denn von uns hat niemand derartige Äußerungen wahrgenommen.

Diese möglichen getätigten Aussagen, würden im Falle der Wahrheit, sich nicht nur gegen die Spieler des SV Azadi beziehen, sondern genauso gegen unsere auf dem Platz stehenden und auf der Ersatzbank sitzenden Spieler, die ebenfalls diverser Herkunft sind. Hinzu kommt eine nicht unerheblich Anzahl an ehemaligen Spielern, Eltern, Spielerfrauen und Fans, die das Spiel am Seitenrand verfolgt haben.

Wenn die Verantwortlichen des SV Azadi an einer Klärung des Problems interessiert gewesen wären, hätten die Verantwortlichen beider Vereine in gemeinsamen Gesprächen mit dem Schiedsrichter-Team und den Ordnern, von denen eine ausreichende Anzahl vor Ort war, sicher eine konstruktive Lösung finden können. Aber stattdessen hat die Azadi-Seite leider den stumpfen Weg des Spielabbruchs gewählt, was wir sehr bedauern.

Was wir ebenfalls klarstellen möchten, auch wenn es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: Unser Verein, dem Spielerinnen und Spieler aus diversen Herkunftsländern angehören, steht für Toleranz und Vielfalt. Bei uns wird niemand wegen seiner Herkunft, Hautfarbe oder Religion diskriminiert, verunglimpft oder benachteiligt. Sollte es aus dem Zuschauer-Bereich in Boostedt rassistische Beleidigungen gegeben haben, so verurteilen wir dies aufs Schärfste. Und sollten uns während eines unserer Heimspiele derartige Beleidigungen zu Ohren kommen, würden wir sofort von unserem Hausrecht Gebrauch machen und die Personen von der Sportanlage verweisen. In Horst und beim VfR gibt es keinen Platz für Rassismus!

Wie auch auf „luebeck.tv“ richtig festgestellt wurde, fand das Spiel zwischen dem VfR und Azadi aber nicht in Horst, sondern auf neutralem Platz in Boostedt statt. Dass von „luebeck.tv“ das Urteil getroffen wird, die Schuld für die Vorfälle würde „ausschließlich beim Anhang des VfR Horst“ liegen, ist eine umso gewagtere These, weil ja offenkundig von „luebeck.tv“ niemand vor Ort war – andernfalls wäre es nicht zu den eingangs aufgelisteten, falschen drei Darstellungen gekommen. Für uns drängt sich der Eindruck auf, dass hier ein delikates Thema, mit dem niemand „spielen“ sollte, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass es nicht mehr ernst genommen wird, wenn es wirklich rassistische Vorfälle gibt, von Seiten des SV Azadi bewusst benutzt und aufgebauscht wird, um einen Vorteil für den eigenen Verein zu erzielen.

Dass der Betreiber von „luebeck.tv“ laut Impressum auf der Internet-Seite „luebeckmedien.de“ um Herrn Aydin Candan handelt, der zugleich Gründungsmitglied des SV Azadi ist, spricht Bände. Dass für das Bestreben von Seiten des SV Azadi, einen sportlichen Vorteil zu erlangen, auf „luebeck.tv“ unser Verein und insbesondere unsere Anhängerschaft geschlossen an den Pranger gestellt wird, ist ein Unding. Diese Hetze, diese Falschdarstellungen und Rufschädigungen gegenüber unserem starken und funktionierenden Verein und deren Mitgliedern, verurteilen wir aufs Schärfste und behalten uns daher rechtliche Schritte vor, die zurzeit im Hintergrund geprüft werden.

Neutrale Zeugen und Zuschauer von anderen Vereinen, die unsere Darstellungen bestätigen, gibt es in ausreichender Anzahl. Jeder, der in Boostedt während des leider nur 45 Minuten langen Fußballspiels und auch nach dem Abbruch vor Ort war, dürfte unsere Sichtweise teilen.

Grundsätzlich gilt es nochmals zu wiederholen das es in unserer Gesellschaft und in unserem Verein keinen Platz für Rassismus, Diskriminierung und Hetze gibt. Sport verbindet und genau diese Kultur wird bei uns im Verein bis in die Haarspitzen gelebt.

Der VfR Horst am 13.06.2025

Sportgericht verkürzt Fristen

Am Sonntag sind die letzten Begegnungen dieser Aufstiegsrunde angesetzt. Der SV Azadi empfängt den Wiker SV und der VfR Horst hat es zuhause mit dem TSV Hattstedt zu tun (hier mehr dazu). Doch ob danach die beiden Aufsteiger in die Landesliga wirklich feststehen ist anzuzweifeln. Das Sportgericht hat allerdings die Fristen bereits verkürzt und Stellungnahmen bis zum heutigen Sonnabend (14.6.) angefordert. Es könnte schon in der kommenden Woche ein Urteil fallen. Viel Zeit bleibt nicht, denn bis zum 30. Juni muss die Saison abgeschlossen sein. Eiltempo ist also angesagt.

Welche Gegner wünscht ihr euch für den VfB Lübeck und Eintracht Norderstedt im DFB-Pokal?

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Bildquellen

  • Azadi: Lobeca/Niklas Runne
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