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VfB Lübeck: Chancen, die genutzt werden wollen

Sportdirektor Nachwuchs Jonas Toboll im exklusiven Interview

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Lübeck – Die Jugendabteilung des VfB Lübeck bietet mutmaßlich die größten Chancen der Grün-Weißen – sowohl in finanzieller als auch in sportlicher Natur.

Denn möchte man den Verein konsolidieren und zeitgleich keine allzu großen sportlichen Rückschritte machen, wäre die Integration von talentierten Eigengewächsen die kostengünstigste Variante. Diese bietet zugleich ein positives Außenbild und gute Gewinnmöglichkeiten bei späteren Transfers.

Teure und ältere Ex-Profis, deren Leistung und Verfügbarkeit häufig nicht im Einklang mit den damit verbundenen Kosten standen, könnten jungen Grün-Weißen weichen, deren Entwicklung dem Verein neben sportlichem Erfolg auch satte finanzielle Gewinne bescheren könnte – und damit eine solidere Zukunft des VfB ermöglichen.

Das würde zunächst ein Investment bedeuten, könnte aber den bislang leider häufig instabilen Zyklus durchbrechen. Darüber hinaus wäre es ein deutliches Zeichen an den eigenen Nachwuchs – eine Perspektive, die möglicherweise junge Juwelen zum Verbleib in der Hansestadt bewegen würde. Sicherlich ist das mit einer Menge Konjunktiv verbunden – aber nicht undenkbar.

VfB-Kapitän und seit Ewigkeiten in Diensten der Grün-Weißen: Marvin Thiel (VfB Lübeck). Foto: Lobeca/Michael Raasch

Wer hat das Zeug dazu?

Damit stellt sich also die Frage, wer in die Fußstapfen von Spielern wie Marvin Thiel treten kann – und welche Philosophie der Verein hierbei selbst verfolgt. Zwar sind die finanziellen Mittel weiterhin ein Thema, dennoch wurde auch mit dem Vorhandenen der eine oder andere Achtungserfolg erzielt. Neben mehreren Mannschaften, die es bis in die Finalspiele des Landespokals schafften, gelang der U17 nach einer hervorragenden Regionalliga-Hinrunde der Aufstieg in die Bundesliga. Hier scheiterte die Mannschaft von Coach Lukas Dresbach am Ende denkbar knapp am bis zum letzten Spieltag möglichen Klassenerhalt.

Die Botschaft dahinter ist eindeutig: Hochklassiger Fußball ist in der Hansestadt trotz begrenzter Möglichkeiten weiterhin realisierbar. Es bieten sich Chancen, die genutzt werden wollen. So tauchte beispielsweise ein Luc Otzmann als U17-Spieler häufiger im Kader der 1. Herren auf, ein Beweis, dass die Entwicklung eigener Talente durchaus Früchte tragen kann, auch wenn nicht alle im Verein bleiben.

Es bleibt also spannend an der Lohmühle. Viele verschiedene Möglichkeiten und Ansätze stehen zur Verfügung, um sowohl die sportliche als auch finanzielle Lage zu verbessern. Was Konzepte, Ideen und die allgemeine Ausrichtung betrifft, ist die Situation also durchaus vielversprechend. Das Umfeld steht zusätzlich hinter dem Verein, das haben die letzten Monate deutlich gezeigt.

Selbst in der finanziellen Schieflage stand die VfB-Fangemeinde geschlossen hinter dem Verein und engagierte sich über die Spieltage hinaus. Foto: Lobeca/Gebhardt

Interview mit Jonas Toboll

Dies gab für HL-SPORTS den Anlass, mit Jonas Toboll zu sprechen – dem Sportdirektor Nachwuchs beim VfB Lübeck. Er stand selbst mehrere Jahre im Kasten der Grün-Weißen und ist dem Verein nach seiner aktiven Laufbahn treu geblieben. Seit mehreren Jahren ist er nun als Funktionär tätig und stand im Interview Rede und Antwort.

HL-SPORTS: Hallo Jonas, in der abgelaufenen Saison hat euer Nachwuchs in den meisten Wettbewerben, insbesondere im Pokal, sehr gut abgeschnitten. Mit der U17 gelang sogar nach einigen Jahren der Sprung ins Junioren-Oberhaus. Wie seht ihr die derzeitige Entwicklung eurer Jugendabteilung?

Jonas Toboll: „Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung unserer Nachwuchsabteilung. Das hängt vor allem mit den organisatorischen Fortschritten, denn von den jüngsten Ergebnissen unserer Jugendmannschaften ab. Wir freuen uns über positive Resultate, diese sind in der aktuellen Phase allerdings nicht unsere Triebfeder. Grundsätzlich haben wir uns personell breiter aufgestellt, um auch inhaltlich weitere Schritte voranzukommen. Wir wollen unseren Fokus auf den individuellen Spieler und seine Entwicklung richten. Gelingt es uns, unsere Spieler gut auszubilden und mit ihnen auch schwächere Phasen gut zu meistern, dann sind wir davon überzeugt, gelingen uns auch in Zukunft die genannten Aufstiege oder Pokalerfolge.

HL-SPORTS: Die Identifikation mit der Stadt und dem Verein wird man am meisten spüren, sollten Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in Richtung der ersten Herrenmannschaft ihre Chance bekommen. Welche Perspektive bietet ihr den Leistungsträgern von morgen?

Jonas Toboll: „Jeder Verein benötigt seine Identifikationsfiguren. Emotionen und Lust auf den Fußball entstehen meiner Meinung nach erst recht dann, wenn Kaderspieler der ersten Mannschaft aus der eigenen Jugend stammen. Das wissen wir und genau da setzen wir an. Aktuell scouten wir vor allem Spieler für die eigene U12. Das bedeutet, einen Spieler, welchen wir hier aufnehmen, begleiten wir im Optimalfall durchgängig bis in die U21. Jahr für Jahr soll die Perspektive sein, den einzelnen Spieler in seiner Altersklasse an sein sportliches Leistungslimit zu bringen. Es soll eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Verein, Spieler und Eltern des Kindes entstehen. Am Ende dieser Zeit möchten wir, dass die Spieler bei uns in der U21 die beste sportliche Version entsprechend ihres Talentes sind und wir nichts an Qualität auf dem Weg hierhin verloren haben. Schaffen wir das, dann haben wir eine größere Chance darauf, dass unsere Nachwuchsspieler qualitativ eine Unterstützung für unsere erste Mannschaft sind.

HL-SPORTS: Für wie realistisch hältst du das Konzept eines „Lübecker Wegs“, und wie würde es deiner Meinung nach im Optimalfall aussehen?

Jonas Toboll: „Im Grunde wie ich es gerade skizziert habe. Keiner im Fußball besitzt die oft zitierte Glaskugel, die uns sagen kann, welcher Spieler es aus dem Nachwuchsbereich wirklich in den Profibereich schafft. Den Traum haben dennoch fast alle Spieler, auch bei uns im Nachwuchs. Das wissen wir. Wir wissen auch, dass wir uns beim VfB Lübeck im Nachwuchsbereich absolut im Leistungsfußball bewegen. Unser Anspruch ist der, inhaltlich wie ein DFB-lizensiertes NLZ (Nachwuchsleistungszentrum) zu arbeiten, mit einer Ausnahme. Wir wollen nicht unsere Kader austauschen. Wir setzen auf unsere Spieler und gehen mit ihnen auch mal durch das Tal der Tränen, wenn mal nicht alles wie geplant läuft. Was wir damit verhindern, ist, dass wir den Kader stets so anzupassen müssten, dass die leistungsschwächeren Spieler oder die, welche die körperlichen Voraussetzungen aufgrund des biologischen Alters nicht erfüllen, aussortiert, werden müssten. Der Lübecker Weg ist, dies nicht zu tun.

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HL-SPORTS: Eine gute Ausbildung erfordert auch gute Trainer und eine gute Infrastruktur. Die Konkurrenz mit professionellen Nachwuchsleistungszentren aktueller Profi-Clubs in der Umgebung ist recht groß. Was tut der VfB, um hier konkurrenzfähig zu bleiben, und wie realistisch wäre die Idee eines eigenen Nachwuchsleistungszentrums in den kommenden Jahren?

Jonas Toboll: „Wir wissen wie in einem NLZ gearbeitet wird und welche infrastrukturellen Möglichkeiten dort vorherrschen. Wie messen uns, z.B. mit unserer U15 in der Regionalliga, schon seit Jahren sportlich auf Augenhöhe mit den NLZ in unserer Umgebung. Auch stehen unsere Spieler Jahr für Jahr im Fokus der Scouts der Bundesligisten. Das ist der Fall, weil bei uns sehr talentierte Fußballer in unseren Kadern stehen. Natürlich beschäftigen wir uns im Hintergrund mit der Entwicklung eines NLZ. Das spielt aber in dem Prozess, unsere Arbeit mit den Spielern, sie zu optimieren, im hier und jetzt überhaupt keine Rolle. Im Gegenteil: Wir kümmern uns nicht nur um die Ausbildung von Spielern, sondern auch um die Ausbildung von jungen entwicklungsfähigen Trainern. Das alles Entscheidende ist aus meiner Sicht natürlich nicht die perfekte Kabine, in der sich die Spieler umziehen können, sondern ein leidenschaftlicher Trainer, der für die Sache brennt und der gewillt ist, sich zu entwickeln. Ihm zur Seite steht in der Regel ein ausgewogenes Co-Trainerteam mit sportlicher Kompetenz und Lebenserfahrung.

HL-SPORTS: Mit Blick auf den vergangenen Winter ist es relativ unstrittig zu sagen, dass der Verein eine Ausrichtung benötigt, die sportliche Ziele nicht außenvor lässt, dennoch aber insbesondere den finanziellen Aspekt stärker in den Fokus rückt. Wie sieht der VfB die Chancen, mit guter Jugendarbeit zusätzliche Gewinne zu erwirtschaften?

Jonas Toboll: „Das ist nicht der Fokus unserer Jugendabteilung. Unsere Aufgabe sehen wir darin, unsere Nachwuchsspieler optimal auf den Herrenbereich vorzubereiten. Unser Ziel ist es, dass unsere Spieler einen wirklichen Impact auf den Kader der ersten Mannschaft haben können, wenn wir sie dort ins Training geben. Sollte sich ein Spieler vorher entscheiden, unseren Verein verlassen zu wollen, dann freuen wir uns, ihn auf seiner sportlichen Reise begleitet zu haben und wünschen ihm von Herzen alles Gute. Dass ein Bundesligist damit automatisch verpflichtet ist, einen festgelegten Ablösesockelbetrag zu zahlen, hat mit unserer Zielrichtung zu Beginn einer Saison nichts zu tun. Wenn ich es mir wünschen könnte, dann wäre es wohl so, dass auch die gefragtesten Nachwuchsspieler bei uns bleiben und bei uns zu Stammspielern in der ersten Mannschaft werden.

HL-SPORTS: In der Vergangenheit sind einige verheißungsvolle Talente lediglich für die vom DFB auferlegte Ausbildungsvergütung gewechselt. Weshalb verpasst es der VfB, diesen Juwelen einen Vertrag zu geben – und lässt dabei gute Einnahmemöglichkeiten aus?

Jonas Toboll: „Die Glaskugel, die uns sagt, welcher Spieler es in den Profibereich schafft, haben wir nicht. Sonst würden wir diesen Spielern wahrscheinlich schon in Kindesalter einen Vertrag geben müssen, um die angesprochenen Gewinne einstreichen zu können. Und um ehrlich zu sein, genau das passiert ja auch in der Fußballwelt. In den letzten Jahren haben uns regelmäßig Spieler aus dem C-Jugend Bereich in Richtung NLZ verlassen. Wir müssten also bereits in diesem Bereich anfangen Verträge zu verteilen. Das gleicht dann einer Lotterie. Wollen wir wirklich bereits in der U14 anfangen, Spieler nach ihrem aktuellen Leistungsstand zu bezahlen? Wir glauben nicht, dass das der richtige Weg ist. Natürlich kristallisiert sich in den älteren Jahrgängen und dann spätestens zur U19 heraus, wer im Gesamtpaket das Zeug dafür hat, sich konstant auf dem höchsten Niveau zu bewegen. Allerdings ist das dann auch der Bereich, wo wir bereits Vertragsgespräche durch den Vorstand führen.

HL-SPORTS: Welche Ambitionen hast du für dich selbst in Bezug auf den Nachwuchs und die Entwicklung in den kommenden Jahren?

Jonas Toboll: „Ich möchte auf Konstanz setzen. Ich habe das Ziel, Gesichter in Form von Trainern und Staff-Mitgliedern im Nachwuchs des VfB Lübeck zu schaffen, die mit ganzem Herzen zu dieser Sache stehen. Ich habe absolut das Ziel, dass die Gruppe, die wir hier zusammengestellt haben und nun Stück für Stück ergänzen, inhaltlich seines Gleichen sucht und die perfekte Mischung darstellt, junge Fußballspieler auszubilden. Wir entwickeln uns in den letzten Monaten inhaltlich wirklich rasant weiter und ich habe die Hoffnung, dass wir durch diesen Weg, auf lange Sicht, dann eben doch die besten Saisonergebnisse einfahren können, ohne unsere Werte dabei zu verlieren.

HL-SPORTS: Du selbst hast über Jahre hinweg das grün-weiße Trikot getragen und bist dem Verein auch nach deiner aktiven Laufbahn treu geblieben. Was begeistert dich so an Lübeck, am VfB – und woher stammt die Motivation, dich so stark für die Jugend zu engagieren?

Jonas Toboll: „Ich bin durch den Fußball in diese Stadt gekommen, weil ich es gerne wollte. Ich weiß noch wie heute, wie ich Peter Schubert am Telefon erklärt habe, weshalb er mich holen muss. Als Torwart habe ich natürlich jahrelang die perfekte Beobachterrolle für die Fußballspieler vor mir und um mich herum eingenommen. So wuchs mein Interesse am Trainerdasein und später für die Prozesse rund um die einer Mannschaft und die des Vereins. Über die Jahre habe ich mir meinen Plan zurechtgelegt, wie ich glaube, dass ich Leistung entstehen lassen kann. Leidenschaft, Disziplin und Vertrauen. Das wird im Fußball dann immer oft kundgetan, aber es wird ganz selten praktiziert oder dauerhaft gelebt. Speziell in Krisenzeiten und Abstiegen werden dann eben doch Personen ausgetauscht oder Werte über Bord geworfen. Mein Positivbeispiel wäre der SC Freiburg. Ich habe mir vorgenommen, den VfB Nachwuchs in diese Richtung zu lenken.

HL-SPORTS: Abschließend möchten wir dir natürlich noch die Chance einräumen, ein paar eigene Worte an die Leser, Fans und vielleicht auch einige deiner Schützlinge zu richten. Was möchtest du ihnen mitteilen?

Jonas Toboll: „Ich bin sehr dankbar für unsere Trainer und Trainerinnen. Sie investieren enorm viel Zeit, um ihre Rolle auszufüllen. Sie sind das Aushängeschild unserer Nachwuchsabteilung und leisten herausragende Arbeit. Zudem bin ich wahnsinnig Stolz auf unsere Fußballer und Fußballerinnen. Uns ist bewusst, wieviel Herzblut jede und jeder einzelne von ihnen in den Traum Profifußballer steckt. Ich möchte euch zurufen, dass wir das wissen und wir alles tun, euch bei eurem Weg zu unterstützen. Ich möchte mich abschließend und im Namen der Nachwuchsleitung des VfB Lübeck für das Interesse an unserer Arbeit bedanken. Wir freuen uns immer sehr, wenn von uns berichtet wird. Grün-weiße Grüße, euer Jonas Toboll.

HL-SPORTS: Vielen Dank für deine Zeit und viel Erfolg für die Zukunft!

Bildquellen

  • Thiel: Lobeca/Michael Raasch
  • Pappelkurve, VfB Lübeck, Fans mit Schal, 3. Liga: Lobeca/Wolf Gebhardt
  • Jonas Toboll, VfB Lübeck. Foto sr: sr
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