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Lübeck – Ein letztes Trainingsspiel am gestrigen Sonntag gegen den Drittligisten TV Oyten sollte den Schlussspurt der intensiven Vorbereitungszeit einläuten. Doch ein 16 Kilometer langer Stau vor Hamburg verhinderte die Anreise Oytens. So wurde kurzerhand ein internes Raubmöwen-Spiel auf die Beine gestellt. Wie dem auch sei, der TSV Travemünde hat jetzt noch fünf Tage Zeit, ehe es am Samstag um 16.30 Uhr zum heiß ersehnten Saisonauftakt gegen den Mitaufsteiger TSV Haunstetten kommt.

Nach neun Jahren 2. Bundesliga soll die im Frühsommer als Meister abgeschlossene Drittligaspielzeit tatsächlich ein kurzes Intermezzo gewesen sein. Die Ansprüche wurden mit dem Erreichen eines einstelligen Tabellenplatzes bewusst hoch gesteckt. Wie in jedem Jahr hängt hier vieles auch von einem geglückten Start ab. „In dem Spiel gegen Haunstetten liegt der größere Druck auf Grund des Heimvorteils auf uns“, beurteilt Trainer Thomas Kruse die Voraussetzungen. „Insgesamt aber denke ich, dass es Haunstetten ähnlich geht wie uns. Es ist Neuland, wir alle wissen noch nicht, wo wir vor dem ersten Saisonspiel stehen.“

Dass die Travemünder Raubmöwen den sofortigen Wiederaufstieg geschafft haben, war nicht selbstverständlich. Vor zwei Jahren war noch nicht einmal klar, wie beziehungsweise ob das Projekt Raubmöwen überhaupt noch weiter existieren würde. Die Mannschaft brach auseinander, finanziell war der Patient praktisch schon klinisch tot.

Um deutlich zu machen, wie die heute gerne so genannten Raubmöwen 2.0 den aktuellen Erfolg mühsam und unter großen Anstrengungen geschafft haben, nutzten wir die Gelegenheit, mit Laura Riehl zu sprechen. Diese war vor zwei Jahren neben Catherin Weh (mittlerweile nicht mehr mit dabei), die einzige Spielerin, die den schwer angeschlagenen Raubmöwen die Treue hielt. Und das war alles andere als selbstverständlich. Denn auch Riehl stand kurz vor dem Absprung. Das Rückraum-As erinnert sich: „Ich hatte mehrere Angebote, das konkreteste kam aus Schwerin. Der Wechsel dorthin war tatsächlich eine realistische Option, da ich der Zukunft Travemündes sehr skeptisch gegenüber stand.“

Es war nicht das erste Mal, dass Thomas Kruse, der damals als Co-Trainer neben dem neu verpflichteten Søren Jeppesen eine neue Mannschaft aufbauen sollte, für die entscheidenden Worte sorgte. „Ich habe Thomas schon damals zu einhundert Prozent vertraut“, blickt Riehl zurück. „Natürlich bin auch ich persönlich ein sehr großes Risiko eingegangen. Heute kann ich sagen, dass ich es zu keiner Zeit bereut habe. Wir haben es geschafft; und das war auch nur möglich, weil wir neben dem unerlässlichen Vertrauen einen so großen Zusammenhalt gezeigt haben. Nur so konnten wir das sportlich manchmal sehr frustrierende Zweitligajahr überstehen. Aber diese Zeit war extrem wichtig, wir alle sind spielerisch und vor allem auch menschlich gereift. So waren schon in dem Abstiegsjahr Überraschungssiege wie gegen Kirchhof oder vor allem Dortmund möglich. Heute bin ich einfach nur noch stolz darauf, ein Teil dieser Mannschaft sein zu dürfen.“ Gegen den damaligen Titelaspiranten BVB 09 Dortmund war Riehl schon gar nicht mehr mit dabei. Chronische Schulterschmerzen machten eine Operation zwingend erforderlich. Diese Probleme sind auch heute noch nicht gänzlich behoben, dennoch hofft die 19-jährige, dass sie schmerz- und nicht zuletzt operationsfrei durch die Saison kommt: „Optimal läuft das alles noch nicht, aber ich gehe positiv an die ganze Sache heran.“

Um das Raubmöwen-Team konkurrenzfähig in die 2. Bundesliga zu schicken, hat Thomas Kruse, der auch in diesem Jahr durch Co-Trainerin Tanja Volkening und Physiotherapeutin Kerstin Meiners unterstützt wird, notwendige Verpflichtungen vorgenommen. Eine wichtige Position wird Annika Jordt besetzen. Vom Juniorteam des Buxtehuder SV gekommen, soll Jordt am Kreis für mehr Alternativen sorgen und nicht weniger der Abwehr zusätzliche Stabilität verleihen.

Neben Annika Jordt stellte Annika Kranich den ersten Neuzugang der Saison dar. Die vom Oberligisten Lübeck 1876 nach Travemünde gewechselte Kranich ist die Verstärkung, die Charline Röhr neben sich im Tor benötigt. Dass Kruse es dann zusätzlich geschafft hat, die über viele Jahre in der 2. Liga (TSV Nord Harrislee und zuletzt SG Kirchhof 09) spielende Mareike Vogel für einen Rückkehr in den Raum Lübeck zu begeistern, wird für noch mehr Zweitligatauglichkeit auf der Torhüterposition sorgen. Die Anzahl von drei Torhüterinnen liest sich wie Luxus, kann dem TSV aber nur weiter helfen. Denn sowohl Vogel (Göttingen) als auch Röhr (Gießen) studieren in der Ferne. Zudem steht Kranich in der entscheidenden Phase ihres Medizinstudiums.

Nachdem weitere Gespräche mit potenziellen Neuzugängen –so war zum Beispiel Ex-Raubmöwe Lena Schulz aus Nord Harrislee eine Kandidatin- keine Entscheidungen pro Travemünde brachten, waren die Kaderplanungen eigentlich abgeschlossen. Doch mit dem im Oktober startenden Studium Luisa Kieckbuschs in Flensburg könnte es zu einem weiteren Abschied kommen. Diesen möchte Kieckbusch vermeiden, kann ihn aber nicht komplett ausschließen. Nichtsdestotrotz musste das Trainerteam auf Nummer sicher gehen und sich nach einem erforderlichen Ersatz für die Linksaußenposition umzusehen. Kruse wurde schnell fündig: Der Vertrag Vivien Bartlaus beim SV Grün-Weiß Schwerin war gerade ausgelaufen und sollte auch nicht verlängert werden. So war es nicht verwunderlich, dass es zu einer zügigen Einigung kam. Bartlau, die auf diesem Wege zu einem raschen Ende ihrer Handballpause kam, hat sich schnell in ihrer neuen sportlichen Heimat eingelebt: „Das lief alles reibungslos, ich wurde sehr gut und herzlich von der gesamten Mannschaft aufgenommen. Und ich habe mich nach fast dreimonatiger Pause auch schnell wieder an den Handball gewöhnt. Ich freue mich sehr auf die neue Saison.“

Alles in allem wollen sich die Raubmöwen anschicken, ab kommendem Samstag die hohen Erwartungen in die Tat umzusetzen. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren konnte das Umfeld um Teammanager Frank Barthel dieses Mal dafür sorgen, dass sich das Travemünder Schiff in finanzieller Sicht in wesentlich ruhigeren Gewässern bewegt.

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Die Verpflichtung, ab der Spielzeit 2015/2016 Beiträge in einer mittleren fünfstelligen Summe an die zuständige Berufsgenossenschaft (VBG) zu zahlen, schmerzt zwar, wird aber ebenso vom TSV als richtig und wichtig erachtet. Barthel dazu und zur allgemeinen Gesamtsituation der Raubmöwen: „Für mich ist die Entwicklung der vergangenen zwei Jahre ein Anfang – Die Raubmöwen 2.0 haben wir auf den Weg gebracht. Genau wie das Team werden die Verantwortlichen die Herausforderung annehmen und alles dafür tun, am Ende erfolgreich zu sein und weiterhin Bundesligahandball in Lübeck präsentieren zu können.“

Zusammen mit seinem Mitstreiter Peter Götsch ist es Frank Barthel gelungen, neue Sponsoren für die Raubmöwen begeistern zu können. So wurde beispielsweise kürzlich die Sparkasse zu Lübeck als zukünftiger Trikot-Hauptsponsor gewonnen. Ganz besonders freute sich Barthel zudem über den Einstieg des Klub 111, einem Verbund aus Firmen und Wirtschaftsvertretern, die gezielt Leistungssport-Projekte unterstützen wollen. Barthel zu diesem Engagement: „Die Raubmöwen sind laut Beschlusses des Klub 111 mit zehn Prozent des Förderetats berücksichtigt. Das heißt, dass die Travemünder Handballerinnen bei weiterem Wachstum des neuen Sponsors direkt partizipieren werden.“

Keine Frage, die Travemünder Handballfans dürfen sich schon jetzt auf eine vielversprechende Zweitligasaison freuen. Der Wunsch der Raubmöwen, die Heimspiele vor möglichst ausverkaufter Halle von 400 Zuschauern austragen zu dürfen, ist von daher mehr als verständlich.

Mit folgender Mannschaft starten die Raubmöwen in die Saison:

Zugänge: Kranich (Lübeck 1876), Jordt (Buxtehuder SV II), Vogel (SG Kirchhof 09), Bartlau (SV GW Schwerin).
Abgänge: Lina Pooch (Lübeck 1876), Hannah Gahl, Rosa Gahl (beide ATSV Stockelsdorf).
Tor: Mareike Vogel, Charline Röhr, Annika Kranich.
Feld: Leonie Wulf (K/RM), Vivien Bartlau (LA/RA), Alina-Florin Krey (K/RM), Malin Stammer (RR/RL), Laura Riehl (RL/RM), Katharina Naleschinski (LA), Nina Schmidt (RA/LA), Annika Jordt (K), Jenny Stapelfeldt (RL), Franziska Haupt (RR), Frederikke Buhl Lærke (RL), Luisa Kieckbusch (LA/RM), Karen Wessoly (RA).
Trainer: Thomas Kruse.
Co-Trainerin: Tanja Volkening.
Physiotherapeutin: Kerstin Meiners.
Teammanager: Frank Barthel.

 

 

 

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