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Start Handball Ein Jahr Corona: „Ich wünsche mir das WIR-Gefühl zurück“

Ein Jahr Corona: „Ich wünsche mir das WIR-Gefühl zurück“

Björn Lohmann im Interview zur Pandemie

Björn Lohmann (Mitte) in seiner Tätigkeit als Kampfrichter. Foto: objectivo/Marcel Krause
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Lübeck – In der letzten Folge von „Ein Jahr Corona“ hat sich HL-SPORTS mit Björn Lohmann unterhalten. Sollte jemand „Lohmi“, wie er auch genannt wird, nicht kennen, möchten wir vorab noch einen kurzen Überblick verschaffen.

Lohmann ist 2001 als Jugendwart beim Handballverband Lübeck gestartet und circa fünf Jahre später in das Amt des 1. Vorsitzenden des Kreises aufgestiegen. Dieses bekleidete er für zehn Jahre, bis er schließlich 2015 zum Ehrenvorsitzenden des Kreises wurde und in dieser Funktion auch heute noch Sitz und Stimme als gewählter Vertreter im Vorstand hat.

Darüber hinaus war er noch einige Zeit im Präsidium des Handballverbandes Schleswig-Holstein tätig und hatte dazu noch kleinere Funktionärstätigkeiten zwischen allen nationalen- und internationalen Handballverbänden.

Bekannt aus Funk und Fernsehen ist der Lübecker ebenfalls durch seine Tätigkeit als internationaler Kampfrichter, auch beim DHB gehört er mittlerweile zu den Dienstältesten und hat mehr als 500 Ansetzungen aufzuweisen. Hiervon sind knapp unter 100 international, sein letzter entsprechender Einsatz war das Halbfinale der Männer-Weltmeisterschaft in Hamburg. Ebenfalls nennenswert sind seine 12 HBL Final4 DHB-Pokal-Ansetzungen. Insgesamt zählt er damit zu den Erfahrensten der Zunft.

Außerhalb des Handball-Sports ist er Teil des Vorstands des Lübeck Managements der Hansestadt Lübeck und darüber hinaus arbeitet er in der Medienbranche.

Das war Grund genug für uns, ihn zu seiner Einschätzung der Auswirkungen der Corona-Pandemie – auf seinen geliebten Sport und auch sein Privatleben zu befragen.

HL-SPORTS: Hallo Björn, wir haben nun circa 1 Jahr mit den ausgeprägten Corona-Maßnahmen in Deutschland hinter uns. Wie ist es dir persönlich in dieser Zeit ergangen?

Björn Lohmann: Für mich war die bisherige Corona-Zeit ein Geschenk, weil sie sich wie eine vorgezogene Rente oder ein Sabbatjahr anfühlte. Die gewonnene Freizeit gab mir die Möglichkeit, einmal komplett runter zu kommen und zu entschleunigen. Plötzlich war mehr Zeit für meine Rike, unsere Altbauwohnung zu verschönern, unsere Urlaubsregion Lübecker Bucht zu genießen und meine Frau und ich hatten durch die gewonnene Zeit dazu noch das besinnlichste Weihnachtsfest aller Zeiten.

HL-SPORTS: Du bist dafür bekannt, grundsätzlich durch deine Tätigkeiten viel unter Menschen zu sein. Gab es für dich weiterhin eine Möglichkeit mit den vielen verschiedenen Bekannten einigermaßen den Kontakt zu halten?

Björn Lohmann: Mein Freundeskreis hat sich durch Corona etwas neu sortiert, denn der Kontakt zu Freunden, die sich wirklich für mich als Mensch interessieren, hat sich deutlich intensiviert. Dies geschah weniger durch persönliche Treffen, sondern mehr über Telefonate oder über die Sozialen Medien. Die anderen Freund- oder Bekanntschaften haben sich mehr zu Zweck- oder Bedarfsbeziehungen entwickelt. Inzwischen fühlt es sich alles sehr gut an und man kennt jetzt auch seine guten Freunde und weiß die Zeit mit Ihnen deutlich mehr zu schätzen und zu genießen.

HL-SPORTS: Am 6. März warst du als Kampfrichter in der 1. Handball Bundesliga der Frauen beim Spiel Buxtehuder SV gegen die HSG Bad Wildungen Vipers im Einsatz. Wie war dein Eindruck vor Ort und wie bewertest du die Durchführung dieses Spiels im Vergleich zu den Maßnahmen, die bei der Handball-WM in Ägypten im Januar getroffen wurden?

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Björn Lohmann: Die Corona-Maßnahmen in den Bundesligen bei den Frauen und Männern sind besser, wie ich feststellen durfte, als wenn ich zum Blutspenden gehe. Es gibt Schnelltestungen, Körpertemperaturmessungen und man bescheinigt jedes Mal, das man körperlich gesund ist. Sobald man die Sporthalle betritt, kommt man nur direkt mit Personen in Kontakt, die für die Umsetzung des Spiels unbedingt nötig sind. Mein Kampfrichterpartner Mirko Weber und ich fühlen uns sehr sicher bei unseren Ansetzungen und dem aktuellen Konzept. Dies war bei den Beteiligten der WM in Ägypten augenscheinlich nicht der Fall. Der Ägypter Hassan Moustafa, seines Zeichens Präsident des Handballweltverbandes hatte 2019 in Berlin beim WM-Start gesagt, dass er sich bei einer WM mit deutscher Beteiligung nie Sorgen machen muss, weil wir so organisationsstark sind, wie kein anderes Land. In Ägypten ist eine andere Mentalität und sie haben auch nicht unsere vorhandene Logistik. Die Probleme im Hotel und vor Ort hätten besser gelöst werden müssen, aber auch die teilnehmenden Delegierten der Verbände hätten sich vielleicht direkt vor dem Start mehr einbringen müssen. Am Ende haben wir, trotz des schlechten Abschneidens unserer Nationalmannschaft, tolle Spiele und einen würdigen Weltmeister mit Dänemark gesehen.

HL-SPORTS: Wie würdest du den Einfluss von Corona und den damit verbundenen Maßnahmen auf den Amateur- und Jugendbereich im Handball beschreiben – ist ein von Bob Hanning prognostiziertes Mannschaftssterben zu befürchten?

Björn Lohmann: Unser Vereinssport dezimiert sich schon seit Jahren und das Mannschaftssterben ist nichts Neues. Die Gründe wie demografischer Wandel, der Entzug von gemeinschaftlicher Freizeit durch die Verschiebungen der Schulzeiten bis in die Nachmittage und im Berufsleben bis in die späten Abendstunden oder in die Wochenenden hinein, die vielen Fun-Sportarten ohne Vereinsbezug, die Fitnessstudios mit Lifestyle auf höchstem Marketingniveau hatten schon vorher den Vereinssport jährlich dezimieren lassen. In unserer Gesellschaft findet seit fast zwei Jahrzehnten eine starke Individualisierung statt, da bleibt nur noch wenig Platz für das WIR-Gefühl, was Sportvereine und ihre Mannschaften bieten. Unsere Vereine wollen jetzt aber nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern den Wiedereinstieg nach der Corona-Zeit als Chance nutzen, denn jetzt bietet sich uns die Möglichkeit zu zeigen, wie wichtig und wie gut sich die Gemeinschaft im Team anfühlt. Dort wo der Alltag mit all seinen Sorgen und Nöten hintenansteht und für die Zeit vergessen sein darf und nur noch die Kameradschaft untereinander zählt. Gemeinsam sich auspowern und im gleichen Atemzug dabei Energie gewinnen, mit dieser Freude sollten wir Vereine und Verbände unsere Handballer jetzt wieder in Empfang nehmen und das gelebte WIR-Gefühl wird uns allen gut tun. Dann sollten die prognostizierten Befürchtungen von Bob hoffentlich auch nicht wahr werden.

HL-SPORTS: Zuletzt hat die Landesregierung eine neue Corona-Landesverordnung herausgebracht. Diese ermöglicht zumindest einen kleinen Schritt in Richtung Trainingsbetrieb und die zuvor bekannte Normalität. Wie sehr bist du mit den zugelassenen Möglichkeiten zufrieden und wann rechnet ihr mit den nächsten möglichen Lockerungen?

Björn Lohmann: Als Sportler wissen wir alle besonders, wie wichtig die Gesundheit ist und somit ist uns auch die Gefahr, welche von COVID-19 ausgeht, deutlich bewusst. Wir Handballer sind uns bewusst, dass unser Sport besonders kontaktintensiv ist und somit sich in nur einem Training alle auf einmal untereinander anstecken könnten. Somit sind wir zufrieden, dass wir in kleinen Steps wieder starten dürfen. Für unsere Handballjugend tut es mir am meisten leid, denn diese Saison ist unwiederbringlich, aber vielleicht bieten unsere Verbände ihnen die Möglichkeit, in die Sommerferien hinein aktiv zu sein. Hier sind Gespräche mit den jeweiligen Hallenträgern vonnöten. Eigentlich nutzen diese die Sommerferien für Instandsetzungen, aber vielleicht ist dies schon während des langen Leerstandes geschehen.

HL-SPORTS: Am kommenden Wochenende findet das Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele statt. Wie siehst du die Chancen für unsere Nationalmannschaft und wäre eine Teilnahme – selbst bei stark abgeschotteten Olympischen Spielen ein positiver Einfluss auf die Wahrnehmung des Handballs in der Gesellschaft?

Björn Lohmann: Unsere Nationalmannschaft ist aktuell nicht auf Weltniveau, aber auch nicht so schlecht, wie das aktuelle Abschneiden bei der Weltmeisterschaft vor ein paar Wochen erscheinen ließ. Ein Handballspiel gewinnt man am Ende immer in der Abwehr und diese hat jetzt ihr Herzstück, welches zuletzt fehlte, wieder dabei. Ich glaube, wir können frohen Mutes sein. Die Olympischen Spiele sind die größte Sportveranstaltung der Welt. Es kommen wahnsinnig viele Sportler aus der ganzen Welt zusammen und es geht für alle Teilnehmer um sehr viel. Es ist zu wünschen, aber schwer zu glauben, dass sich alle an den olympischen Gedanken halten, nämlich dass sich alle Teilnehmer schützen und keine unnötige Gesundheitsgefährdung darstellen. Ich habe da schon etwas Bauchschmerzen, aber die Spiele beginnen am 23. Juli und bis dahin sind die Corona-Impfungen vielleicht schon so weit fortgeschritten, dass niemand ungeimpft nach Japan reisen muss.

HL-SPORTS: Was wünscht du dir für deine private Zukunft und für die Zukunft des Handballs?

Björn Lohmann: Ich bin ziemlich zufrieden mit meinem Leben und da in Sachen Corona Licht am Ende des Tunnels in Sicht ist, freue ich mich besonders wieder auf die persönlichen Kontakte und den Sommer an unserer Ostsee. Für die Zukunft unseres Handballsports wünsche ich mir, dass unser Breitensport wieder ein WIR-Gefühl entwickelt und wir alle es als dieses positive Glücksgefühl empfinden, schätzen lernen und nicht nur als Option wahrnehmen. Dann werden am Ende alle Ebenen, auch der Leistungssport davon profitieren.

HL-SPORTS: Vielen Dank für deine Zeit und bleib gesund!

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