Lübeck – Fast 15 Monate ist Jan Lindenau (Foto) nun Bürgermeister. Zeit, um aus sportlicher Sicht einen Eindruck des 40-Jährigen zu bekommen. HL-SPORTS traf ihn zum Interview. Dabei geht es nicht nur um die Highlight-Vereine, sondern um den eingebrannten Titel „Sportstadt Lübeck“ und die Zukunft des Sports in der Hansestadt.

HL-SPORTS: Hallo Herr Lindenau, in Lübeck gibt es eine Menge ambitionierter Vereine, die sich in den verschiedensten Sportarten bewegen. Darunter fallen sicherlich stets der VfB Lübeck und der VfL Lübeck-Schwartau als eines der Aushängeschilder. Wie sehen Sie als Bürgermeister die Entwicklung insbesondere bei diesen beiden Clubs oder auch bei Vereinen, die Randsportarten betreiben?

Jan Lindenau: Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die Lübecker Vereine sich in den vergangenen Jahren deutlich professioneller und attraktiver aufgestellt haben. Das gilt nicht nur für den VfB, den VfL oder auch die Lübeck Cougars – die in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnt werden müssen – sondern auch für viele andere Vereine in der Stadt quer durch alle Sportarten. Das überwiegend ehrenamtliche Engagement vieler Lübeckerinnen und Lübecker für die Vereine ist dabei besonders beeindruckend und freut mich ganz besonders – denn die gesamte Stadt profitiert davon.

HL-SPORTS: Mit dem Slogan „Gemeinsam Segel setzen“ hat sich die Hansestadt Lübeck zuletzt vor vier Jahren als Partner von Hamburg sogar um die Ausrichtung olympischer Segelwettbewerbe beworben und den Titel „Sportstadt Lübeck“ gepflegt. Die Olympia-Träume sind mit der gescheiterten deutschen Bewerbung geplatzt, wie aber steht es um die „Sportstadt Lübeck“, in der bei steigender Einwohnerzahl in den vergangenen 20 Jahren die Zahl der in Vereinen organisierten Sportler von 25 auf 20 Prozent gesunken ist?

Jan Lindenau: Für mich gehört zu einer erfolgreichen Sportstadt nicht unbedingt eine Bewerbung um olympische Wettbewerbe, sondern zunächst, dass ein guter Austausch zwischen der Stadtverwaltung und den Vereinen gegeben ist, um die alltäglichen Herausforderungen der Vereinsarbeit gemeinsam und schnell lösen zu können. Hier müssen wir die Kommunikation als Dialog auf Augenhöhe optimieren. Darüber hinaus ist es mir ein wichtiges Anliegen, die Unterstützung des Ehrenamtes deutlich zu verbessern und neu aufzustellen. Mein Eindruck ist, dass an dieser Stelle noch erhebliches Potential besteht, u.a. beim Einwerben von Förderungen oder bei der Nutzung von Synergien. Auch im Leistungssport versuchen wir unsere Aushängeschilder nach Kräften zu unterstützen und eine starke Verbindung zwischen Vereinen und Stadt aufzubauen.

HL-SPORTS: Mit der „Sportanlage Falkenwiese“ ist in diesem Jahr eine Sportstätte entstanden, die bundesweit als vorbildlich betrachtet wird, gleichwohl fehlt es in der Hansestadt Lübeck an Sportstätten für die 147 Vereine mit ihren im Jahr 2019 gemeldeten 38.883 Mitgliedern. Auch für den Schulsport besteht dringender Bedarf an Sport- und Turnhallenzeiten. Welche Sportstätten kann die Hansestadt Lübeck in naher Zukunft errichten?

Jan Lindenau: Aktuell gibt es von Seiten der Hansestadt Lübeck diverse Überlegungen die Rahmenbedingungen für den Lübecker Sport zu verbessern. Zu nennen wären dort z.B. die Pläne zur Errichtung einer reinen Turnsporthalle am Standort „Trave-Schulzentrum“ in Kücknitz. Auch eine neue Dreifeldhalle im Bereich des geplanten Neubaugebietes „Geniner Ufer“ ist bereits in der Bürgerschaft diskutiert worden. Gleiches gilt für den Neubau einer Schulsporthalle im Bereich Falkenwiese, ggf. in Kombination mit der Mehrzweckhalle des LBV Phönix. Neben der Schaffung von neuen Sportstätten gilt es aber auch den Fokus auf die bestehenden Sportstätten zu richten. Diverse Turn- und Sporthallen sowie Sportplätze inkl. dortiger Umkleidegebäude sind in keinem guten Zustand oder entsprechen zum Großteil auch nicht mehr dem heutigen Bedarf. Ein Beispiel dafür ist z.B. die Sportanlage Neuhof. Hier wird gerade mit Unterstützung der Possehl-Stiftung eine Machbarkeitsstudie erstellt, die darauf abzielt nicht nur den heutigen Zustand 1:1 zu ersetzen, sondern Angebote für die Bedürfnisse von Schulen, Vereinen und Öffentlichkeit innerhalb einer Anlage zu schaffen. Dieses Beispiel zeigt, dass der Lübecker Sport sich dem geänderten Sportverhalten der Bevölkerung anpassen muss. Gerade deshalb ist es auch so wichtig den Lübecker Sportentwicklungsplan fortzuschreiben. Nur so haben wir eine vernünftige Planungsgrundlage, die uns zudem auch in die Lage versetzt potenzielle Fördermittelgeber von unseren Ideen und Projekten zu überzeugen.

HL-SPORTS: Bei der Ehrung von mehr als 50 internationalen und nationalen Meistern im Jahr 2018 bedankte sich der Bürgermeister im Rathaus auch bei den Vereinsvertretern für deren ehrenamtliches Engagement, das die sportlichen Erfolge erst möglich mache. Was kann die Hansestadt Lübeck leisten, um den Spitzensport zu fördern, damit auch die Sporttalente in der Hansestadt bleiben können und nicht – wie so oft in der Vergangenheit – nach der Schulzeit Lübeck verlassen?

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Jan Lindenau: Deutsche Spitzensportler sind in Deutschland häufig von Sponsoren, Sporthilfe-Unterstützung oder einer festen Anstellung im Bereich Polizei/ Bundeswehr abhängig. Auch wenn es in Lübeck bereits einige tolle Projekte aus der Wirtschaft  gibt, die den Spitzen- , aber auch den Nachwuchssport unterstützen (z.B. Klub 111, Team Lübeck), so ist hier im Vergleich zu einigen anderen Städten sicherlich noch Luft nach oben. Dabei geht es ja auch nicht immer nur um eine entgeltliche Unterstützung, sondern auch um Arbeits- und Ausbildungsplätze in der Wirtschaft, die eine Vereinbarkeit von Sport und Arbeit zulassen. Selbstverständlich gilt dies auch für den gesamten öffentlichen Dienst inkl. dem Arbeitgeber Hansestadt Lübeck. Deshalb gibt es ja auch bereits entsprechende Prüfanträge von einigen Lübecker Fraktionen zu dieser Thematik.

HL-SPORTS: In der Bürgerschaft sitzt kein Vorsitzender eines Sportvereins. Fehlt es dem Sport in der Hansestadt Lübeck daher an politischem Gewicht?

Jan Lindenau: Nein, die Frage des politischen Gewichts ist unabhängig davon, ob ein Vereinsvorsitzender selbst in der Bürgerschaft sitzt. Zudem saß in den vergangenen Jahren ja mit Herrn Krause (TSV Schlutup) auch ein engagierter Vereinsvorsitzender in der Bürgerschaft. Mein Eindruck ist vielmehr, dass die Sportpolitik in der Bürgerschaft zunehmend an Bedeutung gewinnt und auch der Kontakt zwischen Kommunalpolitik und Sportvereinen intensiver ist als noch vor ein paar Jahren. Für alle Beteiligten ist das eine positive Entwicklung. Dies ist meines Erachtens auf eine engagierte Lobbyarbeit des Turn- und Sportbundes zurückzuführen.  

HL-SPORTS: Eine „Vorreiterrolle“ und eine „vorbildhafte Arbeit im Bereich der Integration von Geflüchteten in Sportvereinen“ hat der Landessportverband dem Turn- und Sportbund der Hansestadt Lübeck bescheinigt. Auch bei der Abnahme von Sportabzeichen-Prüfungen steht Lübeck weit oben hierzulande. Wie stärkt die Hansestadt Lübeck die Dienstleistungen des Turn- und Sportbundes?“

Jan Lindenau: Als eine Voraussetzung für den Erfolg ist zunächst sicherlich einmal die gute und enge Zusammenarbeit zwischen TSB und Lübecker Verwaltung zu nennen. Weiterhin beteiligt sich die Hansestadt Lübeck mit einem jährlichen Zuschuss von 10.000 EUR an den Kosten der TSB-Geschäftsführung sowie der Abnahme des Jugendsportabzeichens. Hinsichtlich der hohen Anzahl an Sportabzeichen-Abnahmen ist es mit Sicherheit ein Vorteil, dass der TSB mit seinen hoch motivierten Prüfern sowie dem städtischen Stadion Buniamshof hervorragende Rahmenbedingungen anbieten kann. Ähnlich sieht es im Bereich der Integration aus. Der TSB und seine Mitgliedsvereine haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Geflüchteten den Zugang zum Sport zu ermöglichen. Die Hansestadt Lübeck unterstützt hier mit der Übernahme von Vereinsbeiträgen aus Mitteln des Lübecker Bildungsfonds, der Bereitstellung von Sportanlagen sowie der Übernahme von anteiligen Kosten für Sportausstattungen im Rahmen der Sportförderrichtlinien.

HL-SPORTS: Abschließende Frage, die zurück an den Anfang führt. Schafft der VfB Lübeck in dieser Saison den Aufstieg und warum und wie wichtig wäre dieser Erfolg für die Hansestadt?

Jan Lindenau: Nach dem guten Start in die Saison sind auch meine Hoffnungen groß, dass es dieses Mal klappt. Vor dem Hintergrund, dass in dieser Saison ein direkter Aufstieg ohne Relegationsspiele möglich ist, stehen die Chancen grundsätzlich besser als noch im vergangenen Jahr. Die Mannschaft wurde gezielt verstärkt, ist im Kern zusammengeblieben und hat, nach allem was ich mitbekomme, eine außerordentlich gute Teamchemie. Da haben die Verantwortlichen und das Trainerteam in den letzten Jahren gute Arbeit geleistet. Wichtig ist, dass weiter konzentriert gearbeitet wird, jedes Spiel mit vollem Engagement bestritten wird und gegen die vermeintlich schwächeren Gegner keine Punkte leichtfertig hergegeben werden. Ein Aufstieg wäre für die gesamte Region und natürlich vor allem für Lübeck ein hervorragender Erfolg. Der Aufstieg wird nur möglich sein, wenn die Lübeckerinnen und Lübecker den VfB tatkräftig unterstützen. Wer beim DFB-Pokalspiel gegen den FC St. Pauli auf der Lohmühle war, hat gespürt, was in einem ausverkauften Stadion an stimmungsvoller Unterstützung möglich ist. Die Mannschaft hat es absolut verdient, dass noch mehr Menschen zu den Spielen kommen. Nur so kann der Aufstieg gemeinsam gelingen!

HL-SPORTS: Vielen Dank für das Interview.

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