
Lange habe ich überlegt, ob ich mich zum Thema European League of Football (ELF) überhaupt äußere. Aber nun, einen Tag vor dem Championship-Game in Stuttgart zwischen – Moment, ich muss mal gucken, wer da überhaupt spielt – ach ja – Stuttgart Surge gegen Vienna Vikings, mache ich es mal. Es ist ja vermutlich auch das letzte Mal, dass wir das Thema bei uns behandeln, denn das Ding dürfte durch sein und es hinterlässt eine Menge verbrannte Erde.
Dabei möchte ich euch nicht, meinen bereits geschriebenem, allerdings niemals veröffentlichten, Kommentar vom 26. Juli dieses Jahres vorenthalten. Am Ende ergänze ich dann weiter, da ja noch eine Menge danach passierte…
Also am 26. Juli gab ich meiner Redaktion diesen Vorschlag eines Kommentars zum Gegenlesen. Veröffentlicht wurde er allerdings nicht. Warum nicht? Weil ich es noch nicht an der Zeit fand. Aber jetzt: Let’s go.
Vor über einem Monat
Fast ein Jahr ist es her, als HL-SPORTS in einem Artikel über die Dinge, die rund um die European League of Football passierten, berichtete. Da ging es auch um mögliche ausstehende Zahlungen an Unternehmen, wie an den VfB Lübeck. Wieso eigentlich? Die ELF machte im Sommer des vergangenen Jahres mit den Hamburg Sea Devils auf der Lohmühle halt, wollte auf der eigens aus der Not heraus inszenierten Nord-Tour Werbung für die Liga machen. Die Seeteufel gingen, was das Interesse angeht, unter. Und jetzt scheint der ganze Rest zu folgen.
Was dann im September 2024, also rund einen Monat nach dem Artikel von HL-SPORTS, passierte, war dann im ersten Stepp nicht so cool. Es flatterte eine sogenannte „Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung“ von einer Hamburger Rechtsanwaltskanzlei in den Mailkasten.
Aus dem Anschreiben zitiert heißt es unter anderem: „Es liegt auf der Hand, dass unsere Mandantin im Falle der Verbreitung unwahrer Behauptungen, substanzloser Vorwürfe oder einer vorverurteilenden Berichterstattung umfassende rechtliche Schritte einleiten wird. Dies umfasst selbstverständlich auch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch entsprechende Rufschädigungen.“
Unnötige Arbeit also für unsere eigenen Rechtsanwälte, da diese Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ein offensichtlicher Versuch der „Hamburg Sea Devils SEH Football Betreiber GmbH“ war, uns und unsere journalistische Arbeit einzuschüchtern. Vergeblich, denn natürlich haben wir uns als HL-SPORTS nicht auf diesen Druck eingelassen. Warum auch?
Die Quintessenz war, dass wir fortan nicht mehr über die European League of Football oder die Hamburg Sea Devils berichteten. Es wurde sowieso ruhig um die Liga in vielen Qualitätsmedien, selbst in der Heimatstadt. Spieler kamen und gingen schneller wieder, die Ergebnisse blieben aus und die Fans strömten ebenfalls nicht in den Massen, wie vermutlich erhofft, zu den Spielen. Was war passiert?
Ich persönlich war vor vier Jahren bei der Pressekonferenz direkt auf der Sonnenterasse auf der Hamburger Reeperbahn dabei, als “Germanys Godfather of Football“ Patrick Esume und Zeljko Karajica große Dinge ankündigten, eine Super-Liga nach dem vermeintlichen Leitbild der großen NFL in Nordamerika für Europa zu bauen. Wow, irre, mega… das kann nur ein Erfolg werden, dachten viele. Wir haben mit HL-SPORTS Gas gegeben, Video-Berichte erstellt und den Ostseeraum mit exklusiven Nachrichten von den Hamburg Sea Devils versorgt. Die Freude war im ersten Jahr groß, denn auch beim Championship-Game in Düsseldorf waren wir live dabei. Krass.
Doch die Euphorie bekam Dellen, denn schon im zweiten Jahr, lief es nicht mehr so cool ab, denn schon hier war es ein Arbeiten unter erschwerten Bedingungen. Das dritte Jahr war dann schon eher eine Qual und nach der freundlichen Aufforderung durch die Rechtsanwaltskanzlei der See-“Teufel“ war es, wie schon erwähnt für uns klar, dass wir hier unseren guten Namen nicht mehr dafür hergeben wollten. Zurecht?
Ja, das muss man nun nach dieser gesamten Berichterstattung der vergangenen Wochen – bundesweit – ganz klar sagen. Wir haben alles richtig gemacht und erkannt, dass die Konstrukte Hamburg Sea Devils und European League of Football anscheinend so keine Zukunft haben.
Am vergangenen Freitag kam der sogenannte “Coach“ Esume mit einer Erklärung einer Rechtsanwaltskanzlei aus Hamburg um die Ecke und kündigte seinen Rückzug als sogenannter „Commissioner“ und Gesellschafter der ELF zum Saisonende im September an. Ganz ehrlich, wer davon überrascht war, der hat die ganze Zeit anscheinend nicht aufgepasst. Es war so offensichtlich, dass das passiert. Welche Beweggründe dahinterstecken, hat der 51-Jährige gleich mitgeliefert: „Unüberbrückbare Differenzen bzgl. der Führung und finanziellen Gestaltung der ELF mit deren Geschäftsführer Zeljko Karajica“ und „Unterschiedliche Vorstellungen der künftigen Ausrichtung der ELF“.
Die Schlinge zog sich allerdings schon vor Wochen und sogar Monaten zu sehr zu – für alle. Verschiedene Franchises, also Teams, rebellierten gegen die ELF-Leitung. Was und wer das im Einzelnen ist, dürfte jedem Football-Fan inzwischen bekannt sein – und wenn nicht, hilft eine Suchmaschine dabei. Die Liga wird, so wie sie in dieser Form existiert, sterben – da bin ich mir sicher. Eine neue Liga soll möglicherweise entstehen, dann aber ohne die aktuelle Führung der bisherigen, also dann auch ohne den “Coach“ – das muss so sein. Ein Hamburger Team? Utopisch!
Jetzt heißt es eben “rette sich wer kann“ und “egal um welchen Preis“, denn am Ende will es sowieso niemand gewesen sein. Einer ist immer der Loser – oder zwei? Das traurige bei der ganzen Sache ist, dass vor vier Jahren eine wirklich tolle Idee scheinbar so dilettantisch umgesetzt wurde. Einmal mit Profis arbeiten, nur anderthalb Minuten. Das muss man so sagen.
Richtig bitter ist es aber auch für Lübeck, obwohl man direkt nichts mit der Super-Liga zu tun hatte, aber doch irgendwie schon. Denn neben der nach wie vor ausstehenden Stadionmiete in Höhe von 25.000 Euro, die der VfB Lübeck krampfhaft versucht einzutreiben, hat es auch die Lübeck Cougars getroffen. Spieler wurden in die ELF gelockt und dort offenbar “verbrannt“, auch wenn es ihre eigene Entscheidung war. Spieler, die den Berglöwen auf normalem Niveau hätten weiterhelfen können.
Und noch etwas bleibt, bis das endgültige Ende der neun, zehn oder “ELF“ – ach ja, so heißt das Ding für den europäischen Football – verkündet wird: Der Sport ist absolut auf der Strecke geblieben. Von den Versprechen, die nationalen Ligen nicht zu schröpfen, ist nichts eingehalten worden. Ein Trauerspiel, mit einem Drahtseilakt, der nun bald in einer Tragödie enden wird. Echt schade – und für den Sport eine Riesen-Blamage. Für die Führungsriege sogar eine persönliche Katastrophe.
Was nun kommt ist nicht ganz klar. Lassen wir uns überraschen. Vielleicht gibt es ja wieder so eine „Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung“, vielleicht wieder von dieser Rechtsanwaltskanzlei aus Hamburg, die interessanterweise die Gleiche ist, von der ich in diesem Text im Zusammenhang mit einer jüngst veröffentlichen Erklärung berichtete. Jetzt darf sich jeder selbst seine Gedanken darüber machen, wer eigentlich mit wem und warum und wieso überhaupt.
Ich bin gechillt und drücke den Lübeck Cougars die Daumen für den Klassenerhalt. Und allen Amateurvereinen, die es wirklich ernst mit dem Sport meinen, wünsche ich alles Gute für die Zukunft. Elf ist raus.
In diesem Sinne.
Euer Roland Kenzo
Und jetzt…
Nein, hier ist noch nicht Schluss. Das war am 26. Juli 2025 – und wie bereits erwähnt: bisher nicht bei uns veröffentlicht. Es war also schon zu diesem Zeitpunkt abzusehen, wie die Nummer enden würde.
Egal, was morgen in Stuttgart vor einem vermutlich halbleeren Stadion passieren wird, es ist der Schlussakt eines Versuchs, eine amerikanische Sportart in Europa mit allen Mitteln zu etablieren. In der Zwischenzeit sind tiefe Gräben zwischen der ELF und der inzwischen neu gegründeten European Football Alliance (EFA) – einem Zusammenschluss von verschiedenen Teams der ELF – entstanden. Es geht nach wie vor um Geld – auch für den „Coach“, der seine neue Cap-Kollektion veröffentlichte und auf einen Kommentar auf seiner Seite einmal ganz kurz ziemlich dünnhäutig reagierte. Zitat: „Für dich hab ich die: „Mein Leben ist Scheisse, deshalb geh ich in Social Media anderen auf den Sack-Edition „…““ (buchstabengetreu).
Für mich ist schon seit Längerem klar: „Football is family“ ist nichts weiter als ein abgedroschener Spruch. Ja, er dürfte im kleinen Bereich passen, aber seitdem er ins TV Einzug gehalten hat, war er tot und nichts mehr wert. Seitdem ist er Kommerz und nichts anderes.
Unterstrichen wird mein Kommentar zudem noch von einem Offenen Brief der Spieler der Hamburg Sea Devils, der am Mittwoch die Runde machte. Hier der Original-Text:
„Wir, die Spieler der Hamburg Sea Devils, sehen uns gezwungen, öffentlich Stellung zu beziehen.
Am 7. September findet das Championship Game der European League of Football in Stuttgart statt, jedes Team in dieser Liga hat das Ziel, das Finale zu erreichen und zu gewinnen. Wir auch. Doch neben anderen Teams, die uns spielerisch davon abhalten wollten, gab es intern viel größere Hürden.
In der gesamten Saison wurde kein einziges Mal pünktlich Gehalt gezahlt. Dieses wiederholte Versäumnis ist einer der Hauptgründe, warum zahlreiche Spieler und Coaches das Team noch vor oder während der Saison verlassen haben. Seit über einem Monat warten wir auf unser Gehalt für den Monat Juli. Auch das Gehalt für August ist bislang nicht eingetroffen. Viele Spieler sind finanziell abhängig von diesem Job.
Wir sind zutiefst enttäuscht vom Management. Seit Monaten erhalten wir immer wieder dieselben leeren Versprechungen: „Das Gehalt wird heute oder morgen überwiesen“, „spätestens bis Ende der Woche“, „es ist alles geklärt“. Doch geschehen ist nichts. Unsere Auslagen werden nicht rückerstattet, zugesagte Dienstwagen wurden teils erst mit monatelanger Verzögerung bereitgestellt. Benzinkosten und andere Aufwendungen, die in direktem Zusammenhang mit unserem Einsatz für dieses Franchise stehen, bleiben unbezahlt.“
Tja, was soll man dazu sagen?
ELF oder EFA? Auch ein neues Konstrukt wird nicht die ganz große Nummer, leider. Es wird wie damals vor fast 20 Jahren mit der NFL Europe, sie wird ausklingen und wir sehen uns dann wieder irgendwann auf dem Buni. Und auch das hat nicht geklappt, denn die Lübeck Cougars sind in die Regionalliga abgestiegen. Schade Leute.
Abschließend muss man sagen: Das Geld und die Gier haben es verbockt, den ehrlichen Coaches in der Jugend und in den kleinen Vereinen eine echte Zukunft zu geben. Es lebt die NFL mit den ganz großen Stars, die es in Europa und schon gar nicht in Deutschland geben wird. Die ganze Nummer hat in meinen Augen sogar dem gesamten Sport geschadet. Ehrlichkeit und Fairness sind die Verlierer. Kann man diese zurückgewinnen?
In diesem Sinne, jetzt aber wirklich…
Euer Roland Kenzo
