Lübeck – Philipp Stursberg ist vermutlich der bekannteste und erfolgreichste Footballspieler, den die Hansestadt vorweisen kann. Dabei blieb er stets auf dem Teppich und bodenständig. Für seine Jungs hat er immer ein Ohr und unterstützt gerne. Der 41-Jährige wurde 2010 und 2014 mit der deutschen Nationalmannschaft die Europameisterschaft, spielte zu NFL Europe-Zeiten für die Hamburg Sea Devils und die Lübeck Cougars, die er bis vor ein paar Monaten trainierte. Seine Spezialität ist die Verteidigung und die Erfahrungen gibt er heute in der Nationalmannschaft weiter. HL-SPORTS traf den sympathischen Lübecker zum Interview.

HL-SPORTS: Moin Philipp, wie ist es dir im vergangenen halben Jahr ergangen und was hast du so nach deinem Ausstieg bei den Cougars gemacht?

Philipp Stursberg: Ich habe mir einen Lebenstraum erfüllt und Eine 33 Fuß-Yacht gekauft. Da bin ich gerade bei einem Refit. Ich segele seit meinem elften Lebensjahr und habe das Hobby im Sommer, wegen der Football-Saison weniger verfolgen können. Das ist sehr erfüllend und wirklich was für die Seele, beruhigend und vor allem sehr zeitlos. Arbeitstechnisch konnte ich mich auch in den vergangenen anderthalb Jahren vom Softwareentwickler zum Agilen Coach und Ausbilder für Fachinformatiker weiterentwickeln. Meine Firma (Dr. Klein) ist wirklich ein Glücksgriff für mich gewesen und unterstützt seine Mitarbeiter unglaublich. Auch in diesen schweren Zeiten, wie wir sie gerade durchmachen.

Philipp Stursberg… der Segler

HL-SPORTS: Im kommenden Sommer soll es eine Revolution im europäischen Football geben. Du hast selbst ein Jahr in der NFL Europe gespielt. Welche Erwartungen hast du an die neue ELF?

Philipp Stursberg: Die ELF als Vision finde ich einen der größten Schritte, die American-Football in Europa seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten, gemacht hat. Eine Semi-Professionelle Liga in Europa ist überfällig. Da es an der Spitze der Amateurligen in Europa sehr viele sehr kompetente Ehrenamtler, Trainer und Spieler gibt, die mehr verdient haben. So viele Menschen stecken sehr viel Energie in diesen Sport und bekommen meist nicht Mal eine Erwähnung der Vereine. Und das passiert in ganz Deutschland. Durch Konzepte wie eine Mindestvergütung, die professionelle Vermarktung und das hohe Leistungsniveau kann dies nur zu begeisternden Spitzensport vor viel Publikum führen. Im gleichen Atemzug bin ich aber auch kein Feind des Verbandes. Ich hoffe wirklich, dass die ELF und der AFVD in Zukunft eine Brücke schlagen können und somit noch mehr für unseren Sport erreichen. Darüber werde ich demnächst auch einen Livestream-Podcast auf Stursberg Coaching halten, da das Thema sehr viele Facetten hat und ich dem auch gerecht werden möchte.

HL-SPORTS: Wie nimmst du sonst die Entwicklung der Popularität des Footballs in Deutschland wahr? Steigt der Hype, der sicherlich durch ranNFL bereits befeuert wurde, noch weiter?

Philipp Stursberg: Der Hype steigt seit Jahren. Durch ranNFL gab es nochmal einen guten Schub. Es ist einfach ein sehr emotionaler und spektakulärer Sport. Physisch, aber auch taktisch unterhaltsam. Und wenn dazu noch wirklich gute Kommentatoren und Entertainer wir Patrick Esume, Björn Werner und der Rest der ranNFL-Crew so ein gutes Programm anbieten, sorgt das eben für richtig viel Hype. Ich finde es wundervoll, wie sie unseren Sport in der Öffentlichkeit vertreten.

HL-SPORTS: Du warst Defense-Coordinator der Jugendauswahl Schleswig-Holstein und seit über einem Jahr Linebacker Coach der Jugend-Nationalmannschaft: wie läuft das Scouting möglicher Spieler für die Auswahlmannschaft ab und wie können auch talentierte Spieler unbekannterer Teams auf sich aufmerksam machen?

Philipp Stursberg: Wir sind für die Jugend-Nationalmannschaft gerade in der Planungsphase für 2021. Durch die Annäherung des AFVD an die IFAF sind hier die Gleise für eine mögliche Teilnahme an der U19-Europameisterschaft 2022 gestellt. Das freut mich wirklich sehr, da es so viele Spieler in Deutschland verdient haben, sich auf einer größeren Bühne zu präsentieren und für ihr Land anzutreten. Im ersten Quartal 2021 wird die Planungsphase stattfinden, auch um den Verlauf von COVID weiter zu betrachten. Daraufhin wird die Organisation einen Weg für mögliche Sichtungen und Maßnahmen der Jugend-Nationalmannschaft entscheiden. Ich bin voller Begeisterung und Vorfreude gespannt auf das Potential der Spieler, die wir sichten werden.

HL-SPORTS: Wieder zurück zu dir: Wie ist der Spagat zwischen Privatleben, Job und Football möglich? Insbesondere in deiner Zeit bei den Cougars bzw. auch damals in der NFL Europe spielte sicherlich der Sport eine zentrale Rolle in deinem Leben.

Philipp Stursberg: Das ist ein ganz schöner Spagat. Zeitlich ist American Football als Ehrenamtler, Spieler sowie als Trainer einfach ein sehr zeitintensives Hobby. Da gibt es viele Menschen die im Winter, sowie in der Saison zwischen 10 und 40 Stunden neben ihren normalen Jobs investieren. Für mich persönlich habe ich diese Investition nie in Frage gestellt. Wenn es einem Spaß macht, dann fliegt die Zeit ja auch einfach davon. Man schließt Freundschaften fürs Leben und lernt immer wieder interessante Menschen kennen. Und am Ende lernt man auch für das Leben dazu. Die NFL-Europe nimmt hier aber schon einen anderen Stellenwert ein. Es war einfach Profisport. Für den man dann doch nicht ganz so fürstlich bezahlt wurde, wie es manche erwarten. Nach einer rund siebenmonatigen Vorbereitung, die einem nicht vergütet wurde, konnte man nach einem sehr intensiven Auswahlprozess einen Vertrag erhalten. In Europa alleine haben sich 1.600 Spieler für zirka 24 potentielle Plätze in der NFL-Europe „beworben“. Dann wurde man für die gespielte Saison vergütet. Die lief aber nur zweieinhalb Monate. Wäre ich zu dem Zeitpunkt kein Student gewesen, hätte ich das niemals geschafft.

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HL-SPORTS: Du bist ja seit geraumer Zeit bei Youtube mit deinem eigenen Kanal zu sehen. Wie viel Arbeit steckt dahinter und was kann man bei dir sehen?

Philipp Stursberg: Schon als es mit dem ersten Lockdown losging habe ich meinen Kanal „StursbergCoaching“ ins Leben gerufen. Das ist jetzt schon fast ein Jahr her. Ursprünglich wollte ich einfach ein paar Grundlagen, die mir als American Football-Trainer wirklich am Herzen liegen für den deutschsprachigen Raum anbieten. Nach einigem Feedback und gutem Zuspruch habe ich das einfach weiter gemacht und bin mittlerweile bei über 500 Abonnenten, über 50 Videos und mehr als 700 Stunden abgespielte Videozeit. Das hätte ich niemals erwartet und ich bin sehr dankbar für das Feedback, das ich immer wieder erhalte.

HL-SPORTS: Welche Pläne neben deinen derzeitigen Tätigkeiten im Trainerbereich hast du noch im Footballkosmos?

Philipp Stursberg: Neben meiner Rolle als Linebacker-Trainer der Jugend-Nationalmannschaft, bin ich auch Ausbilder für die Trainer B-, sowie A-Lizenz. Das sind in Deutschland die höchsten Trainerlizenzen, außer dem Sport-Diplom. Durch meinen YouTube-Kanal „StursbergCoaching“ und diesen Tätigkeiten bin ich entsprechend gut ausgelastet und suche auch erstmal kein weiteres Engagement als Trainer in einem Verein. Auch durch meinen YouTube-Kanal haben mich mittlerweile mehrere Teams schon angeschrieben und mit denen mache ich eine Art „Personal Coaching“. Das geht von der Ausbildung einzelner Trainer bis hin zu beratenden Tätigkeiten für ganze Vereine. Auch hier bin ich sehr dankbar dieser Möglichkeiten, die sich mir bieten und freue mich über jede Erweiterung meines Netzwerks. Ich möchte mich für das Interview bedanken und hoffe einige der Leser auch auf meinem YouTube-Kanal begrüßen zu dürfen. Vor allem die Video-Serie „Perspektivwechsel“ ist auch für Trainer anderer Sportarten interessant.

HL-SPORTS: Vielen Dank Philipp das du dir die Zeit genommen hast und weiterhin viel Erfolg bei deinen Projekten.

Weitere Infos zu Philipp Stursberg gibt es hier: https://www.instagram.com/stursbergcoaching/ oder http://www.stursberg.org.

Das Interview führten Simon Flügel und Roland Kenzo.

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