Hannover 96 zieht HSV den nächsten Stecker – Nordduell in der 2. Liga kurz vor Abbruch

Hamburg mit dritter Heim-Pleite in Folge – Kinds Kopf im Fadenkreuz

Viermal musste HSV-Torwart Matheo Raab bei seinem zweiten Zweitliga-Einsatz hinter sich greifen. Er und Miro Muheim sind enttäuscht. Foto: Lobeca/Daniel Haase

Hamburg – Nach 2 Stunden und 39 Minuten stand am Freitagabend der Sieger im Nordduell der 2. Bundesliga fest. Der „kleine“ HSV siegte beim „großen“ HSV. Hannover 96 entführte nach einem XXL-Spiel beim Hamburger SV mit 4:2 (3:1) und steht auf einmal drei Punkte hinter den Rothosen. Zwei Platzverweise für die Hausherren gab es und eine Spielunterbrechung von 35 Minuten. Um 21.09 Uhr pfiff Schiedsrichter Sören Storks aus Ramsdorf ab. 57.000 Zuschauer im Volksparkstadion harrten bei winterlichem und regnerischem Wetter aus. Am Ende feierten nur die Niedersachsen. Die Hamburger wurde gnadenlos ausgepfiffen.

Tor durch Louis Schaub für Hannover 96. Foto: Lobeca/Daniel Haase

Die 1. Halbzeit: Matheo Raab alleine gelassen

Überrascht waren die Fans, als auf dem Spielberichtsbogen Matheo Raab für Daniel Heuer Fernandes im Hamburger Kasten stand. 489 Tage musste der 25-Jährige warten, bis er wieder Zweitliga-Luft schnuppern durfte. Den Abend hatte sich der Keeper allerdings vermutlich anders vorgestellt, wie so viele…
Die erste Duftmarke setzte Dompe in der 3. Minute, als sein Schuss nach einem Konter zur Ecke abgefälscht wurde. Hannover machte es besser und ging nach einem Eckball in Führung. Meffert und Muheim überließen Nicolo Tresoldi (11.) den Kopfball, der im kurzen Eck einschlug. Raab? Chancenlos. Die schnelle Antwort suchten Muheim (14.) und Benes (17.). Der erste Versuch ging knapp daneben, der zweite knapp drüber. Dafür klingelte es auf der anderen Seite erneut, denn bei einem Ballverlust von Pherai in der Vorwärtsbewegung ging Ambrosius erst nicht energisch genug dazwischen und pennte danach als Schaub auf Sebastian Ernst im Strafraum durchsteckte. Guilherme Ramos (21.) wollte retten, lenkte jedoch den Ball an Raab unhaltbar ins eigene Netz – 0:2 aus Sicht der Rothosen. Wieder sollte es eine schnelle Rückkehr der Gastgeber geben, doch Pherais Schuss ging nur Millimeter am linken Pfosten vorbei. Dann aber! 1:2 Laszlo Benes (24.). Nach einer Flanke von Muheim, nahm der Slowake den Ball mit der Hacke mit und versenkte ihn aus Nahdistanz im langen Eck. Jatta hätte nach einem Pass von Pherai sogar kurze Zeit später den Ausgleich erzielen können, wurde jedoch vorher von Dehm abgegrätscht. Das Unfassbare trat ein. Hannover 96 erzielte das 3:1. Und auch hier war die katastrophale Abwehrleistung der Hamburger ausschlaggebend. Eine Rückwärtsbewegung gab es nicht und schnell überbrückten die Niedersachsen den Weg Richtung Nordtribüne. Dehm bediente Tresoldi, der im Eins-gegen-Eins an einer Weltklasse-Parade von Raab scheiterte, doch Luis Schaub (32.), früher selbst einmal beim Hamburger SV, schob ein. Wieder beteiligt war Ambrosius, der Tresoldi den Ball in aller Seelenruhe annehmen ließ – er und Muheim standen danach vor dem Torschützen, waren bei dessen Schuss aus fünf Metern allerdings machtlos. Das Walter-Team hatte danach erst einmal an dem Rückstand und diesen stümperhaften Fehlern zu kauen. Die erste Hälfte endete, wie sie anfing. Ein HSV-Schuss, dieses Mal von Pherai, verfehlte den Jubel nur sehr knapp. Pfiffe zur Pause von den Rängen – so laut wie noch nie in dieser Saison.

Flyer im Strafraum und Fahrradschlösser am Tor. Proteste der Hamburger Fans kurz vor der 2. Halbzeit. Foto: Lobeca/Daniel Haase

Nach der Pause: Ein sehr langer zweiter Durchgang mit allem, was der Fußball zu bieten hat

Walter hatte die Nase von Ambrosius voll, brachte Hadzikadunic zur zweiten Hälfte. Die begann allerdings zehn Minuten später. Zwei vermummte HSV-Anhänger betraten ganz in Ruhe den Innenraum und warfen Flyer in den Hannoverschen Strafraum. Zudem brachten sie sechs Fahrradschlösser im Tor und an den beiden Pfosten an. Es dauerte etwas, bis diese mit Bolzenschneider und Flex entfernt wurden. Um 19.42 Uhr ging es weiter – und zwar gleich mit dem 2:3-Anschlusstreffer durch Dennis Hadzikadunic (47.), der den Ball nach einer kurz ausgeführten Ecke und Flanke von Muheim ins Netz köpfte. Und schon war zwei Minuten später wieder Pause. Erst wurde Pherai nach einem Zusammenprall mit Neumann behandelt und währenddessen wurden im 96-Fanblock Banner ausgerollt, die zum einem die Botschaften „CVC & Blackstone Marionetten des Sportwashings Saudi-Arabiens“, „Konsequentes Handeln bei personifizierten Gewaltandrohungen“, „Spielunterbrechung jetzt“ und „Nein zu Investoren in der DFL!“ zeigten. Zudem war ein Banner mit dem Konterfei von Hannovers Geschäftsführers Martin Kind sowie zwei der möglichen DFL-Investoren zu sehen. Alle drei in einem Fadenkreuz.

Banner im Fanblock von Hannover 96: Konterfei von Geschäftsführer Martin Kind mit einem Fadenkreuz. Foto: Lobeca/Daniel Haase

Unparteiischer drohte mit Abbruch

Für Schiri Storks war das nicht mehr akzeptabel. Die Begegnung blieb deswegen unterbrochen. 96-Keeper Zieler lief zu den Fans, versuchte sie zu beruhigen. Sportdirektor Marcus Mann und Trainer Stefan Leitl sprachen ebenfalls in die Kurve sowie sogar die gesamte Mannschaft. Ihre Bemühungen blieben erfolglos, denn ihre Anhänger machten keine Anstalten, die Transparente zu entfernen. Die Fanlager beider Vereine skandierten „Kind muss weg!“ Zehn Minuten später schickte Storks die Mannschaften in die Kabinen und drohte das Spiel abzubrechen, sollten die Fadenkreuz-Banner nicht eingerollt werden. Das passierte zwar, jedoch warfen die Gäste-Anhänger kleine Gummibälle auf den Rasen. Die wurden von den Ordnern eingesammelt. 17 Minuten später kamen die Teams zurück auf den Platz und Hannovers Sportdirektor Mann erklärte den eigenen Fans, dass es bei einer weiteren Störung zu einem Spielabbruch kommen würde. Insgesamt dauerte die Zwangspause 35 Minuten und vorweggenommen: Auf den Rängen blieb es fortan eskalationsfrei. Dafür wurde es bei den Aktiven auf dem Grün feurig.

Zweikampf zwischen den Torschützen Guilherme Ramos (Hamburger SV) und Sebastian Ernst (Hannover 96). Immanuel Pherai (HSV) schaut rechts daneben zu. Foto: Lobeca/Daniel Haase

35 Minuten später ging es weiter

Mit der Spielzeit 59:10 Minuten ging es weiter und Dompe hatte mit dem ersten Schuss nach Wiederanpfiff wieder kein Glück. Haarscharf flog der Ball am rechten Pfosten vorbei. Die Roten hätten mit der nächsten Gelegenheit schon den Sack zumachen können, doch Schaub (65.) schoss nach einem Pass von Dehm völlig frei über die Kiste. Weiter ging die wilde Fahrt: Dehm trat auf der eigenen Strafraumlinie Pherai (67.) gegen das Schienbein. Elfmeter? Eigentlich klar, doch Storks schaute sich die Szene nicht einmal an und ließ stattdessen weiterspielen. Im Zwei-Minuten-Takt war was los. Als nächster schaffte es Glatzel (69.) den Ball nach einem Benes-Zuckerpass aus acht Metern über das 96-Tor zu schießen. Nächste Chance: Jatta auf Muheim (79.) und wieder über die Latte. Eine Minute später bediente Pherai Dompe und der Torschrei war schon auf den Lippen, doch der Ball wollte nicht rein – Zentimeter fehlten. Es ging hin und her, wobei der HSV schon eher am Drücker war. Und dann fiel der 3:3-Ausgleich für Hamburg doch. Robert Glatzel (86.) köpfte das Spielgerät nach einer schnell und kurz ausgeführten Ecke in die Maschen. Danach flog Laszlo Benes (88.) mit der Roten Karte vom Platz Erst sah er für ein Foul an Leopold gelb, doch der Video-Schiri informierte Storks und nachdem der sich die Szene anschaute, änderte er die Farbe in Rot. Und dann die Nachspielzeit: 16 Minuten (!) gab es obendrauf. Dabei blieben die Gastgeber im Vorwärtsgang und hatten in der 95. Minute die große Gelegenheit auf die Führung. Pherais Ball landete auf dem Tornetz. 96 hatte mehr Platz und markierte das 4:3. Sebastian Ernst (98.) stand allein und verlassen bei einer Muroya-Flanke, beförderte den Ball aus fünf Metern ganz ruhig ins Netz. Der HSV gab sich allerdings noch nicht geschlagen. Die Moral stimmte, wurde aber nicht belohnt. Van der Brempt (99.) traf nur das Außennetz. In der 106. Minute flog der nächste Hamburger vom Platz. Torschütze Dennis Hadzikadunic traf Nielsen in die Fersen. Gelb-Rot für den Torschützen. Die Nachspielzeit wurde noch einmal etwas verlängert, so dass nach 19 Extra-Minuten endgültig Schluss war. Hannover 96 schnappte sich die drei Punkte im Volkspark und schaffte damit die Revanche aus dem Vorjahr an gleicher Stelle, wo man mit 1:6 unterging.

16 Minuten Nachspielzeit. Foto: Lobeca/Daniel Haase

Das Fazit: Einfach nur irre!

Wo fang ich an, wo hör ich auf? Dass Raab für Heuer Fernandes spielte, war für mich zwar überraschend, aber aus meiner Sicht trotz der Niederlage nicht dramatisch. Raab hätte ich schon früher einmal die Chance gegeben. Und er war an allen vier Gegentoren schuldlos. Maximal beim 0:1 wäre es seine Ecke gewesen, aber warum steht da auch keiner am Pfosten? Sonst wurde der Keeper einfach im Stich gelassen. Und da können wir dann auch gleich einen Total-Ausfall nennen. Ambrosius war einfach mal seine komplette Einsatzzeit gar nicht anwesend, was man insbesondere beim 0:2 und 1:3 sah. Doch ihn alleine trifft nicht die Schuld an dieser Niederlage. Es war insgesamt wieder einmal eine katastrophale Abwehrleistung. Es bringt einfach nichts, sich darüber immer und immer wieder aufzuregen. Der HSV kann es einfach nicht und fertig. Was in der Hinrunde noch eine Festung war, ist jetzt nur noch ein zusammengeschossener Trümmerhaufen. Der Volkspark ist endgültig gefallen. Drei Niederlagen in Folge, zuhause. Damit schafft man am Ende definitiv nicht den Aufstieg. Man kann vorne gar nicht so oft treffen, wie man hinten getroffen wird. Verdiente Niederlage für den Hamburger SV. Die Walter-Diskussion ist schon am Freitagabend wieder in Gange gewesen. Gibt es nun doch ein Umdenken bei Sportvorstand Jonas Boldt? Alleine der Glaube fehlt mir daran, denn es gab bereits diese massive Kritik am Cheftrainer zu Maß. Egal für heute. Sonntag oder Montag wissen wir mehr. Zu den Protest-Aktionen der Fans kann ich nur sagen: kreativ bis überzogen. Und zwar massiv! Ja, Martin Kind hat bei der DFL-Abstimmung anscheinend gegen das Voting seines eigenen Vereins gehandelt. Aber: Er ist der Geschäftsführer. Da sind andere Gremien gefragt, die den Mann vor die Tür setzen müssen. Ein Gesicht mit einem Fadenkreuz zu versehen ist dann einfach drüber. Niemand möchte das. Wie die Hamburger Anhänger in den Innenraum spazieren konnten, frage ich mich bestimmt nächste Woche noch. Und wie sie dann auch noch sechs Fahrradschlösser an die Pfosten anbrachten und vor allem mit welcher Ruhe… Da kann man schon ganz schön nachdenklich werden. Die Aktion an sich war aber eben kreativ und erinnerte ein wenig an den Torfall von Madrid 1998. Und ja, eine Flex und ein Bolzenschneider lagen sofort in der Stadionwerkstatt parat. Irre. Gute Nacht.

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Die Stimmen der Trainer

Tim Walter (Hamburg): „Es war ein ereignisreicher Abend. Wir sind nicht gut ins Spiel gekommen, sind durch eine Standardsituation und einen abgefälschten Ball doppelt in Rückstand geraten. Wir kommen dann sehr anständig zurück, ehe wir einen Flüchtigkeitsfehler in der Abwehr machen und mit 1:3 in die Pause gehen. Dann kommen wir stark mit dem 2:3 raus, ehe die lange Unterbrechung folgte. Dann sind wir zum zweiten Mal durch eine Standardsituation zum 3:3 gekommen. Die Rote Karte war der „Gamechanger“. Wir hatten auch in Unterzahl weiter gute Möglichkeiten nach vorn, machen aber den entscheidenden Fehler in der Defensive. Dann war es um uns geschehen. Wir müssen über die vielen Gegentore zuhause reden. Wir sind sehr enttäuscht. Es ist große Wut in uns, die es nun in Energie umzumünzen gilt.“

Stefan Leitl (Hannover): „Wir sind sehr glücklich. Es war ein intensives Spiel. Kompliment an meine Jungs. Wir haben das umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben: Wir waren hart, intensiv und haben trotzdem Fußball gespielt. Wir haben eine fantastische erste Hälfte gespielt. Dann kommt der HSV zurück. Das muss man auch akzeptieren, denn da steckt auch einfach ein guter Plan und eine gute Mannschaft dahinter. Beim Stand von 3:3 haben wir gewechselt, wollten „all-in“ gehen, um das Spiel noch zu gewinnen. Die Platzverweise haben uns in die Karten gespielt. Wir haben in Summe nicht unverdient gewonnen.“

Wo beendet der FC St. Pauli die Spielzeit 2023/2024?

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Der 21. Spieltag (9.-11.2.2024)

Hamburg – Hannover 3:4
Wiesbaden – Nürnberg 1:1
Düsseldorf – Elversberg (Sa., 13 Uhr)
Magdeburg – St. Pauli
Braunschweig – Karlsruhe
Kaiserslautern – Paderborn (20.30 Uhr)
Kiel – Schalke (So., 13.30 Uhr)
Fürth – Berlin
Osnabrück – Rostock

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