Schwerin – Training, Physio, Wettkampf – meist ist Britt Bongaerts, Zuspielerin im Team des SSC Palmberg Schwerin,  dazwischen zu erledigt, um noch groß Freizeitaktivitäten nachzugehen; Familie und Freund sind in weiter Ferne. Nur sonntags fragt sich die Holländerin manchmal, was die Deutschen wohl so machen, wenn alle Läden geschlossen sind? Im langen Themeninterview antwortet sie zu Regeln, Freiheiten und zur großen Zukunftsfrage.

Britt, das Regelwerk im Volleyball ist nicht ohne, als Zuschauer versteht man nicht immer alles, was ein Schiedsrichter pfeift. Wie lange hast Du gebraucht, um alles zu lernen?
Ja, die Volleyballregeln sind wirklich sehr komplex. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich alle drauf hatte. Man lernt sie am besten beim Spielen, und je länger man spielt, desto besser versteht man sie. Wenn man jünger ist, ist alles noch nicht so streng. Je höher das Niveau steigt, ums strenger werden die Schiedsrichter. Man hat also Zeit, die Regeln zu verinnerlichen.

Du bist also sattelfest? Oder könntest Du auch gut auf Regeln verzichten?
Die Spielregeln sind schon recht klar. Obwohl es auch da Auslegungsfragen gibt. Zum Beispiel, wenn man als Zuspieler einen engen Ball nur mit einer Hand spielt, ist das für manche Schiedsrichter ok, andere pfeifen es als Lift. Das wäre einfacher, wenn das einheitlich geregelt wäre.

Wo gibt es auch für Dich noch Überraschungen?
Zum Beispiel als Kimmy (Kimberly Drewniok, Anm. d. Red.) sich in einem Spiel die offenen Schnürsenkel neu binden musste, und sie dafür eine gelbe Karte bekommen hat. Das habe ich nicht verstanden. Hätte sie drüber stolpern sollen? Sie hätte wohl deutlich anzeigen müssen, dass sie die Schuhe binden muss, aber das finde ich echt albern. Es gibt also schon Regeln, die mich überraschen oder die ich zwar kenne, aber nicht wirklich verstehe.

Musst Du die Regeln noch besser im Griff haben als andere Spielerinnen, damit Du keine Fehler beim Zuspiel machst?
Nein, eigentlich nicht. Ich muss nur aufpassen, wenn die Libera den Ball in der Drei-Meter-Zone annimmt und zu mir spielt, dass ich ihn dann nicht selbst als zweiten Ball spielen darf. Beziehungsweise nur, wenn sie ihn gebaggert hat, aber nicht im oberen Zuspiel. Jetzt wo wir so drüber reden, bin ich da grad selber verwirrt. Es ist schon kompliziert. Das wär ´ne Regel, auf die ich gut verzichten könnte.

Hältst Du Dich generell im Leben an Regeln oder bist Du ein Regelbrecher?
Ich würde sagen, irgendwo dazwischen. Ich mache lieber mein eigenes Ding, ohne dass mir jemand vorschreibt, wie ich zu leben habe. Ich könnte also gut mit weniger Regeln leben, respektiere sie aber. Wir brauchen sie ja auch, damit die Gesellschaft funktioniert und wir alle sicher sind.

Hilft Dir Deine Disziplin als Sportler dabei, Dich leichter an Regeln halten zu können?
Vielleicht in dem Sinne, dass ich es einfacher kann, wenn ich muss. Aber wie leicht es mir fällt, kommt eher drauf an, wofür ich so diszipliniert sein soll. Im Volleyball ist es leicht, weil ich das wirklich will, da kann ich mich leicht unterordnen. Früher in der Schule war das was ganz Anderes. Da bin ich zwar zu Stunden, die ich nicht mochte, gegangen, hab mich aber nicht angestrengt.

Wo kannst Du es gar nicht ab, dass Dir jemand Vorschriften macht?
Zuhause, weil das meine Zeit, meine Freiheit ist. Da habe ich dann auch Probleme, wenn ich noch was für den Sport machen soll. Wenn es ein Trainingstag ist, alles kein Thema. Aber wenn ich frei habe und trotzdem noch Krafttraining machen muss, wie im Sommer mit der Nationalmannschaft, dann mache ich das zwar, weil ich weiß, dass es wichtig ist, um den Rest des Sommers zu überleben, aber es kostet mich mehr Überwindung. Da hätte ich schon Lust, die Regeln zu brechen, mach es aber doch nicht. Bei Schulsachen würde ich definitiv nichts tun.

Was gibt Dir der Volleyball, dass Du Dich auch mit unliebsamen Vorgaben arrangierst?
Ich mag diesen Sport einfach und ich mag es, mich herauszufordern. Es macht mich zufrieden, wenn ich etwas gelernt habe. Der Lernprozess selber nicht, ich mag es nicht, wenn ich etwas noch nicht kann. Aber wenn ich es geschafft habe. Oder wenn wir ein wichtiges Spiel gewonnen haben und man richtig spürt, wofür wir die ganze Arbeit machen. Das gibt mir ein echt gutes Gefühl. Ich weiß noch nicht, wie das mal nach der Volleyballzeit gehen wird.

Was macht Dir da Sorgen?
Ich brauche immer eine Herausforderung, ein Ziel. Zum Beispiel jetzt unser Ziel, Meister zu werden. Dafür müssen wir viel arbeiten, viel leisten, und wenn man es geschafft hat, hat sich das alles gelohnt. Bei vielen normalen Jobs geht man einfach hin und dann wieder nach Hause, ohne echtes Ziel. Deshalb kann ich mich derzeit auch nicht für ein begleitendes Online-Studium entscheiden, weil ich weiß, dass ich das nur schaffe, wenn ich wirklich Lust darauf habe und es mich interessiert. Das muss ich erst rausfinden, das ist nicht so leicht. Deshalb ist die Frage, die ich am meisten hasse, auch die, was ich nach dem Volleyball machen will.

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Es sind ja hoffentlich auch noch einige Jahre Zeit.
ja, aber es ist schon gut, sich über die Zukunft Gedanken zu machen. Wobei ich dazu neige, die Dinge zu sehr zu überdenken. Ein bisschen weniger wäre manchmal leichter.

Britt Bongaerts (22 Jahre, 1,85 Meter) aus dem holländischen Roermond (zwischen deutscher und belgischer Grenze) nahm nach Stationen in der holländischen Talenteschmiede Arnhem und in Almelo 2015 bei den Ladies in Black ihre erste Auslandsverpflichtung an. Danach spielte sie eine Saison in Münster, kehrte wieder nach Aachen zurück und kam 2018/19 nach Schwerin. Ab der U14 gehörte sie zu den jeweiligen Jahrgängen der Nationalmannschaft, 2015 war die Zuspielerin erstmals beim Grand Prix in der A-Auswahl dabei.

 

 

 

 

 

 

 

 

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